Starkbieranstich I:Ohne Großkopferte

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Hier bekommt jeder gut eingeschenkt: Das verspricht zumindest Ritter Blech und teilt dann aus. (Foto: Claus Schunk)

Der Taufkirchner Anstich wurde schon mit dem Nockherberg verglichen. Doch diesmal zielten Ritter Blechs Gemeinheiten oft ins Leere, weil die Polit-Prominenz fehlte. Und das Münchner Kindl beließ es bei Witzen

Von Iris Hilberth, Taufkirchen

Das Starkbier und das Derblecken sind in Bayern längst eine solche Symbiose eingegangen, dass sich bei kaum einem Anstich eines Fasses mit dem süffigen Gebräu zu Beginn der Fastenzeit die spöttische Rede noch wegdenken lässt. Auch in Taufkirchen ist das seit vier Jahren schon fast so etwas wie eine Tradition geworden. Gespannt wartete der Ort seit August - so lange waren die Karten für das Starkbierfest im Ritter-Hilprand-Hof schon ausverkauft -, was Redner Michael Müller im Kostüm des unerschrockenen "Ritter Blech" diesmal der lokalen und regionalen Prominenz zu sagen hatte. Dumm nur, dass viele Kommunalpolitiker diesmal gar nicht da waren.

Das Schönste am Derblecken ist schließlich, die "Großkopferten" dabei zu beobachten, wie sie auf den Spott reagieren. Können sie selbst herzhaft darüber lachen oder lächeln sie nur gequält, weil sie innerlich vor Wut vielleicht platzen? Derblecken ohne die Opfer des Gespötts ist selbst mit dem stärksten Starkbier und den frechsten Sprüchen nur halb so schön. Das wissen auch die Freunde des Wolfschneiderhofs, die alljährlich zu diesem Ereignis einladen. Und vielleicht hat sich deren Vorsitzender Helmut Rösch deshalb bei seiner Begrüßung zunächst verhaspelte und ungewollt zugegeben: "Beim Starkbieranstich darf politische Prominenz fehlen."

Tatsächlich hatte sich Bürgermeister Ullrich Sander (parteifrei) am Vormittag krank gemeldet, Landrat Christoph Göbel (CSU) weilt im Urlaub in der Mongolei und auch sonst blieben einige Stühle frei. Das Fass musste schließlich Taufkirchens Zweiter Bürgermeister Alfred Widmann von der SPD anstechen, der diese Rolle auch gekonnt mit ein paar kräftigen Schlägen ausfüllte.

Insgesamt aber fiel die vierte Auflage des Starkbierfest vor allem hinter die ersten beiden Veranstaltungen dieser Art im Ritter-Hilprand-Hof, der offiziell inzwischen Kultur- und Kongresszentrum heißt, zurück. Und das lag nicht nur an der fehlenden Prominenz, die in den Anfangsjahren nahezu vollzählig erschienen war. Auch der Müllersche Ritter Blech und die frühere zweite Bürgermeisterin Angelika Steidle, wahlweise als Putzfrau oder Münchner Kindl, vermochten zunächst mit scharfzüngigen und pointierten Reden den Anwesenden verbal so gut einzuschenken, dass manch einer schon lobend vom Nockherberg des Landkreises sprach. Im vergangenen Jahr hingegen kam das alles gar nicht mehr so gut an, das Lachen blieb manchem Kommunalpolitiker derart im Halse stecken, dass ernsthafte Kritik laut wurde. Wodurch ja die Parallele zum Nockherberg wieder hergestellt wäre, wo die Landtagspräsidentin Barbara Stamm wegen ihrer Verärgerung über die letztjährige Fastenpredigt diesmal ankündigte, fernzubleiben.

Die Taufkirchner SPD-Vertreter hingegen, die im vergangene Jahr so viel Spott ertragen mussten, dass manch einer wohl richtig sauer war, nahmen tapfer wieder Platz im großen Saal und bekamen vom "Ritter Blech", der betonte, "letztes Jahr viele gut gemeinste Ratschläge" bekommen zu haben, prompt zu hören: "Wer Lobhudeleien hören will, muss auf den Nockherberg pilgern." In Taufkirchen werde dem Volk aufs Maul geschaut, den Politikern nicht nach dem Mund geredet und kräftig eingeschenkt, kündigte er zu Beginn der Rede den "lieben Pantoffel-Sozialisten" sowie den "Grünkern-Essern" und "Grüntee-Trinkern" gleich mal an. Sein Motto der Starkbierrede 2017: "Lieber ein starkes Wort als viele schwache Sprüche."

So attestierte er der anwesenden stellvertretenden Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche von der SPD, der Ambitionen auf eine Landtagskandidatur nachgesagt werden, eine "vielversprechende Langzeit-Perspektive", schließlich gebe es ja noch Peter Paul Gantzer, den "Paulchen Panther mit dem Johannes-Heesters-Syndrom". Die neben ihr sitzende SPD-Kreisvorsitzende Bela Bach bezeichnete Müller als "personifizierte Zukunft der Gegenwart", die wisse, was der Landkreis brauche, nämlich "freie Hanfabgaben für alle".

Bürgermeister Ullrich Sander, "der Erklär-Bär" im Rathaus, sei in Taufkirchen "omnipräsent", merkte der Ritter süffisant an. Es vergehe keine Veranstaltung, bei der man nicht immer den gleichen Satz von ihm höre: "Der Bürgermeister lässt sich entschuldigen." Dabei, so meinte der Redner, müsse sich der Rathauschef auch als Pfälzer langsam mal an die Bräuche gewöhnen. Und den Grünen gab er trotz ihres "kleinen Bürgermeisters (3. Bürgermeister Rudi Schwab), der ständig über sich selbst hinauswächst" mit auf den Weg: "Es gibt in Taufkirchen tatsächlich noch Leute, die eine andere Meinung haben." Der CSU hingegen bestätigte er, eine "echte Volkspartei zu sein", die man wählen könne, wenn man Merkel wolle und wenn man Merkel nicht wolle. Vor allem aber hat der Ritter festgestellt, dass Taufkirchen mit der Jochen-Schweizer-Arena und dem American Dream-Day inzwischen zur "Event-City" mutiert sei.

Solche Anspielungen ließ Angelika Steidle als "Münchner Kindl" nach dem Ärger im vorigen Jahr diesmal bleiben. Mit ein paar bekannten Kalauern und Blondinen-Witzen hielt sie sich aus dem Taufkirchner Geschehen heraus. Lacher erntete sie auch so. Es gab genügend Starkbier.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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