Soziales Engagement:"Sehr fleißig, aber keine Lieschen"

Lesezeit: 3 min

Der Tischdienst im Haarer Maria-Stadler-Haus ist fast reine Frauensache. Die ehrenamtlichen Helfer unterstützen das Pflegepersonal. Sie helfen Bewohnern beim Essen und bringen Abwechslung in den Alltag

Von Bernhard Lohr, Haar

Plötzlich werden ihre Augen feucht. Susanne Graf steht zwischen gedeckten Kaffeetafeln im Untergeschoss des Maria-Stadler-Hauses. Viele Blumenbuketts sind vorbereitet. Die Bürgermeisterin und der Pfarrer sind da - und all die Mitstreiterinnen von Graf. Sie alle halten mit ihrem Engagement den vor 30 Jahren aus der Taufe gehobenen Tischdienst im Seniorenheim bis heute am Laufen. Sie helfen den betagten Bewohnern, ihr Frühstück und Mittagessen einzunehmen. Einige machen das wie Susanne Graf seit drei Jahrzehnten, jede Woche einmal, ohne Geld dafür zu bekommen. Die Jubiläumsfeier für die Einrichtung am Haarer Heim ist auch Grafs Abschied - es gibt lobende Dankesworte, und bewegende Momente.

Der Tischdienst ist so eine soziale Einrichtung, auf die viele in Haar richtig stolz sind. Und es ist eine, die mit dem ehrenamtlichen Einsatz, den viele über Jahre und Jahrzehnte ohne großes Aufhebens zu machen leisten, durchaus typisch ist für diese Gemeinde. Die Geschichte des Maria-Stadler-Hauses selbst passt in dieses Bild. Schließlich wurde dieses dank der Spende einer Haarer Bürgerin errichtet und in der Folge von einem Trägerverein übernommen, in dem sich wiederum Bürger einbrachten, die meinten, das Schicksal der Alten, die in Haar irgendwann nicht mehr alleine klarkommen und in ein Heim müssen, müsste alle angehen. Dafür steht wiederum der Name von Theresa Heil, die lange Jahre für die CSU im Gemeinderat saß und die als Vorsitzende des Vereins über einen langen Zeitraum die Geschicke des Hauses direkt in ihrer Hand hatte. Heute steht Heil dem Förderverein vor, der das mittlerweile in einer gemeinnützigen GmbH geführte Heim unterstützt. Sie ist auch eine Frau der ersten Stunde. Bei der Feier macht sie mit einer Zwischenfrage und einer kleinen Rechnung deutlich, was die Helfer vom Tischdienst alles geleistet haben. Sie will wissen, wie viele Stunden jemand, der wie Graf 30 Jahre im Heim mitarbeitete, geleistet habe und wie dieser Einsatz in Vollzeitstellen umgerechnet werden müsste. Hausleiter Klaus Stierstorfer hilft kurz. Das Ergebnis: Graf hat unterm Strich zwei Jahre umsonst gearbeitet. Zum Abschluss gibt es Lob und Blumen, auch für die anderen Helfer-Frauen im Raum.

Es sind tatsächlich nur Frauen, wenn man vom Leiter des Hauses, Klaus Stierstorfer, Pflegedienstleiter Peter Reitberger und Pfarrer Albert Schamberger absieht. Dass wieder einmal die Frauen fürs Soziale da sind und mit einem Dankeschön zufrieden sein müssen, fällt als erstes Bürgermeisterin Gabriele Müller auf, als Pfarrer Schamberger in seiner kurzen Rede die Blumenpräsente erwähnt und von den "Fleißigen Lieschen" spricht. Müller greift das auf und sagt. "Sie sind sehr fleißig, aber keine Lieschen." Und die Blumen seien sogar, genau genommen, Edellieschen.

Gertrud Pfirstinger gibt seit zehn Jahren den Senioren das Essen. (Foto: Angelika Bardehle)

Tatsächlich ist der Tischdienst - abgesehen von zwei oder drei Männern, die es auch immer gab und gibt in der Runde der 25 - fast eine reine Frauensache. Dessen Gründerin Rosemarie Sure leitete 1987 den Sozialausschuss an der Pfarrei St. Bonifatius und setzte sich damals lange schon für die Senioren in der Gemeinde ein. Als das Maria-Stadler-Seniorenheim direkt hinter dem Rathaus im April in Betrieb ging, fragten sich Sure und einige Mitstreiterinnen, wie sie den kranken und schwachen Bewohnern des Hauses zur Seite stehen könnten.

Die heute 77-jährige Sure wirkt auf der Feier mit ihren wachen Augen und ihrer ruhigen Art munter und frisch, als hätte sie den Tischdienst soeben erst ins Leben gerufen. Sie hat ihre Rede gut vorbereitet auf einem Zettel, spricht von "sozialem Engagement" und "ehrenamtlicher Tätigkeit" und zeigt allen, die es sehen wollen, den ersten Einsatzplan für die Tischdienst-Helferinnen, den sie im Frühjahr 1987 niederschrieb, bevor das Maria-Stadler-Haus überhaupt offiziell eröffnet war. Die Einladung für diese Feier am 22. Mai 1987 hat Sure auch aufgehoben. Eine Rednerin an dem Tag neben dem damaligen Bürgermeister Hans Wehrberger: ihre Mitstreiterin Theresa Heil.

Die praktische Arbeit in den 30 Jahren beschreibt Sure als erfüllend. Einmal in der Woche ist jeder in der Regel dran. Viele, viele Stunden stand Sure neben Patientenbetten und reichte den Senioren kleine Häppchen und den Trinkbecher. Auch an diesem Tag, an dem die Tischdienst-Helfer feiern, hat sie schon davor fünf Bewohnern das Frühstück gegeben. "Es macht Freude", sagt Sure. Es geht ja auch nicht nur ums Essen. Man lernt sich kennen und schätzen. Und wie Sure erzählt, bringen die Tischdienst-Helfer ja auch immer Geschichten von draußen mit, die das Leben der Heimbewohner bereichern. Auch ein Witz, oder ein Schwätzchen übers Wetter darf sein. Und nebenher entlasten sie die Pflegekräfte. "Wenn es uns nicht gäbe", sagt Sure, "hätte so mancher Bewohner schon Magensonden".

Aktuell gibt es 25 Aktive. Viele sind in die Jahre gekommen. Es gibt Abschiede, wie den von Susanne Graf. Es kommen aber immer wieder auch neue Helfer dazu. Manchmal ist es jemand, der einen Angehörigen im Haus hat oder hatte, und sich dem Heim weiter verbunden fühlt. Dessen Leiter Klaus Stierstorfer ist froh über diesen gut eingeführten Kreis und hofft, dass es immer "Nachwuchs" geben wird. "Ich freue mich jeden Tag, wenn ich den einen oder anderen von ihnen sehe."

Wer beim Tischdienst mithelfen will, meldet sich bei Klaus Stierstsorfer, Maria-Stadler-Haus, Salmdorfer Straße 2, 85540 Haar, Telefon 089/46002-512, E-Mail: verwaltung@msh-haar.de

© SZ vom 09.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: