Konzern: Neubau mit grünem Anstrich:Siemens pflügt mitten in München um

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Mit dem Neubau der Firmenzentrale will Siemens ökologische Maßstäbe setzen. Bei einigen Mitarbeitern sorgen die Pläne jedoch für Kopfschütteln.

Alfred Dürr und Michael Tibudd

Es geht um baulich gestaltete Transparenz und eine Architektur, die Offenheit symbolisiert. Entstehen sollen moderne Arbeitsplätze. Die Haustechnik soll eine Energieeffizienz auf dem neuesten Stand haben. Der Großumbau der Siemens-Zentrale zwischen dem Wittelsbacherplatz und dem Oskar-von-Miller-Ring vereinigt all diese Anforderungen, so der Anspruch.

Siemens: Der Konzern plant den Umbau seiner Konzerzentrale - und stößt dabei auch auf Widerstände. (Foto: ddp)

Jetzt hat Siemens-Chef Peter Löscher das Projekt, für das ein "unterer dreistelliger Millionenbetrag" veranschlagt wird, der Öffentlichkeit vorgestellt. Man wolle in Zeiten der Globalisierung ein "eindeutiges Bekenntnis" zu München abgeben. Siemens und die Stadt bekämen ein "grünes Aushängeschild und ein Wahrzeichen für nachhaltige Stadtentwicklung".

Nach dem Krieg sind nach und nach 15 Gebäude im Umfeld des klassizistischen Ludwig-Ferdinand-Palais am Wittelsbacherplatz entstanden. Mehr als 1000 Mitarbeiter der Stabsabteilungen und der Spitze des Weltkonzerns haben hier ihre Arbeitsplätze. Ein verschachteltes und verwinkeltes Konglomerat von Bürotrakten ist entstanden.

Auf den langen Gängen trifft man kaum einen Siemensianer. "Das ist ziemlich unkommunikativ hier, jeder verschwindet gleich in der Höhle seines Einzelbüros", sagt ein Mitarbeiter. Ein anderer meint: "Wer noch relativ neu ist, braucht ein Navigationsgerät." Zusammengeschustert sei der Komplex, ohne einheitliches bauliches Konzept, meint Siemens-Immobilienchef Zsolt Sluitner bei einem Rundgang.

Nebenan wurde 1999 der weiß-strahlende Neubau des renommierten amerikanischen Architekten Richard Meier am Altstadtring eröffnet: das Siemens-Forum. Dieser Komplex gilt als ein architektonisches Meisterwerk und wird nicht angetastet.

Hier herrscht tote Hose

Ebenso bleibt das 1825 von Leo von Klenze erbaute Palais am Wittelsbacherplatz von Veränderungen verschont. Schließlich ist auch das viereckige Bürogebäude neben dem Meier-Bau, das dem Vermögensmanagement-Unternehmen Meag gehört, nicht in die Neubaupläne einbezogen.

Wie diese Pläne aussehen, weiß noch niemand. Anfang 2011 soll der Architektenwettbewerb ausgelobt werden. Ende 2012 könnten die Bauarbeiten beginnen, 2015 sollen sie abgeschlossen sein.

Nicht nur Siemens verspricht sich viel von dem neuen Areal, sondern alle Bürger sollen profitieren. Tote Hose, so heißt es in der Stadtverwaltung, herrsche in dem Quartier, das sich wie ein Riegel zwischen das Altstadt-Zentrum und das Pinakothekenviertel legt.

Der Stadtteil werde lebendiger, Passanten könnten künftig durch das Areal schlendern oder dort ein Café aufsuchen. Seit einiger Zeit gibt es eine intensive Diskussion darüber, wie man das Museumsquartier gestalterisch aufwerten kann. Das Siemens-Projekt ist ein wichtiger Beitrag zu dieser Debatte.

Bevor ein Entwurf für die neue Siemens-Zentrale vorliegt, sind eine ganze Reihe von Fragen zu klären - dazu gehören Denkmalschutz, Verkehr und Vorgaben zur künftigen Bürostruktur. Siemens und die Stadt sichern einen transparenten Planungsprozess zu. Siemens-Chef Löscher, OB Christian Ude und Stadtbaurätin Elisabeth Merk wollen sich selbst daran beteiligen.

Bei den Siemens-Mitarbeitern kommt die Nachricht von den großen Umbauplänen unterschiedlich an. Nicht wenige interpretieren die Neuigkeiten ähnlich wie die Unternehmensspitze. "Das ist ein klares Bekenntnis", sagt Alfred Heindl, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Konzernzentrale, im Gleichklang mit seinem Chef Löscher.

Allzu lange und allzu oft hatten sich gerade die Beschäftigten der Zentrale mit Umzugsgerüchten konfrontiert gesehen: Mal, so berichten andere Betriebsräte, waren Salzburg oder Wien als Sitz eines neuen Hauptquartiers im Gespräch, mal ganz pauschal "das Ausland", in regelmäßigen Abständen tauchte außerdem Erlangen als Alternative auf. Dort befinden sich heute die Spitzen aller drei großen Sektoren des Siemens-Konzerns, Gesundheit, Industrie und Energietechnik, ein Umzug der Zentrale dorthin hätte also eine gewisse Konsequenz.

Allerdings lösen die am Montag präsentierten Pläne auch Kopfschütteln aus: So sollen rund um den Wittelsbacherplatz Gebäude abgerissen werden, die eben erst saniert wurden. Der westliche Flügel am Platz etwa erhielt ein neues Dach, und in zahlreichen Gebäudeteilen wurden aufwendig neue Verkabelungen für Netzwerke verlegt.

Sorgen bereiten den Mitarbeitervertretern zudem praktische Probleme während des Umbaus. Der Betriebsrat rechnet damit, dass etwa die Hälfte der 1000 Beschäftigten der Zentrale vorübergehend werde umziehen müssen. Dafür wappnet man sich bereits gegen mögliche Kniffe der Personalabteilung: "Wir wollen verhindern, dass das offiziell über Versetzungen geregelt wird", sagt ein Betriebsrat. Einmal versetzte Mitarbeiter hätten womöglich kein Rückkehrrecht mehr in die Zentrale, weswegen sich der Betriebsrat dagegen stemmen wird.

Ob die in den kommenden Jahren in Beton gegossene Entscheidung für den Wittelsbacherplatz auch den anderen Münchner Standorten hilft, ist indes fraglich. Zwar sagt Betriebsrat Heindl, "es wäre schön, wenn neben der Zentrale auch wieder operative Einheiten in München angesiedelt würden". Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt aber in eine völlig andere Richtung. Ganz akut kämpfen etwa die Beschäftigten des IT-Dienstleisters SIS in Perlach um ihre Jobs. 900 der 3500 Stellen sollen abgebaut werden, ehe der Konzern diesen Unternehmensteil verkaufen wird.

© SZ vom 15.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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