Seniorenbetreuung:Abgeschoben an den Ortsrand - "wie Müll"

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Für die Seniorenwohnanlage "Am Hachinger Bach" in Taufkirchen neben dem Rathaus gibt es nur noch bis 2023 einen Mietvertrag. (Foto: Claus Schunk)

Nach dem Verkauf der Taufkirchner Seniorenwohnanlage an einen Finanzinvestor wird Kritik an den Plänen von Bürgermeister und CSU laut, einen Neubau ganz im Norden der Gemeinde zu errichten.

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

"Nicht nur dem Leben Jahre geben, sondern den Jahren Leben geben." Das ist das Motto der Seniorenwohnanlage am Hachinger Bach neben dem Rathaus in Taufkirchen. Doch wie lange in der dortigen Einrichtung noch Leben herrschen wird, ist ungewiss. Denn im Sommer 2023 läuft der fünfjährige Mietvertrag des Betreibers, dem Diakoniewerk Hohenbrunn, mit der Firma Rock Capital aus, die das Grundstück samt Altenheim unlängst gekauft hat. Danach braucht es also eine neue Heimat für die derzeit mehr als hundert Bewohner, weshalb der Taufkirchener Gemeinderat schon seit Längerem auf der Suche nach einem Alternativstandort ist. Im November hatte Bürgermeister Ullrich Sander (parteifrei) als neue Option das Gelände im Norden der Gemeinde zwischen Oberweg, Waldstraße und Münchner Straße ins Spiel gebracht. Hier könnte, so der Plan, nicht nur ein Altenheim entstehen, sondern ein ganzes Generationenquartier mit Betreutem Wohnen, Kinderhaus und Wohnraum im großen Stil.

Dieser Vorschlag hat eine hitzige Debatte entfacht. Auf der einen Seite stehen dabei der Rathauschef und die CSU, die laut der Ortsvorsitzenden und Gemeinderätin Christiane Lehners den Plänen für ein Generationenquartier "ganz klare Zustimmung" erteilt. Auch Heike Winkler vom Diakoniewerk zeigte sich "begeistert" von dem Vorhaben, "weil es alles beinhaltet, was wir in Zukunft für die Betreuung von Senioren brauchen werden". Auf der anderen Seite hagelt es auch viel Kritik, etwa von Edith Hirtreiter von der Initiative Lebenswertes Taufkirchen. Die ILT-Fraktionschefin bezeichnet den anvisierten Standort als "weit weg vom Schuss". "Dort in der Diaspora ist ja nicht mal eine Kirche, wo die Senioren hingehen können." Noch drastischer äußert sich Altbürgermeister Walter Riedle, der in einem offenen Brief zürnt: "Die Alten, Kranken und Behinderten sollen damit - wie Müll - an den Ortsrand aus- und abgelagert werden."

Versprechen auch einhalten

Dies sei zwar "überspitzt" ausgedrückt, den Kern der Kritik müsse man aber ernst nehmen, findet SPD-Ortsvorsitzender Matteo Dolce. Er verweist überdies - ebenso wie Grünen-Fraktionschef David Grothe - auf das "mündliche Versprechen" der Firma Rock Capital, die dem Gemeinderat beim Kauf des Seniorenheims zugesichert habe, die Kommune bei der Suche nach einem neuen Standort zu unterstützen. "Wer etwas verspricht, der muss das Versprechen auch halten und die Gemeinde hat dies einzufordern", sagt Dolce und erinnert daran, dass das Unternehmen auch auf die Kommune angewiesen sei. Schließlich dürfte Rock Capital auf dem Grundstück mittelfristig etwas anderes planen als ein Seniorenheim - etwa Wohnungen, die deutlich lukrativer sind. Hierfür braucht es jedoch den Gemeinderat, der den Bebauungsplan ändern müsste.

Zudem ist vertraglich festgeschrieben, dass auf dem Grundstück ein Seniorenheim betrieben werden muss. Eine solche Verpflichtung für 50 Jahre hat die Gemeinde laut Bürgermeister in den Achtzigerjahren eingefordert, als sie das Areal kostenlos an einen Versicherungskonzern abtrat, der die Einrichtung baute. Allerdings sei in dem Vertrag nicht geregelt, wie ein Seniorenheim an dieser Stelle auszusehen habe, gibt der Rathauschef zu bedenken. "Theoretisch könnten die da ein Heim auf Sparflamme mit nur einem Bett betreiben."

Sander sieht die Gemeinde daher unter Zeitdruck, einen neuen Standort zu finden. Und mit Blick auf das ins Auge gefasste Areal am Oberweg fügt er an: "Mir fällt keine Alternative ein, wo wir ohne Weiteres ein Seniorenheim bauen könnten."

CSU-Fraktionschefin gehört zur Erbengemeinschaft

Anders sieht das Edith Hirtreiter (ILT), die dafür plädiert, "dass man das bestehende Altenheim auf Dauer erhält" - sprich: das 35 Jahre alte Gebäude umfassend saniert. Wobei sie selbst einräumt, dass das wohl kaum im Sinne des neuen Besitzers sein dürfte. Derweil spricht sich Michael Lilienthal von den Freien Wählern (FW) für den Neubau eines Seniorenheims auf der anderen Seite der Hauptstraße neben dem Wolfschneiderhof aus. Genau dieser Standort sei jedoch schon im Gemeinderat debattiert und abgelehnt worden, hält Sander dagegen. Er will nun in vertiefende Gespräche mit jener Erbengemeinschaft einsteigen, der das Grundstück am Oberweg gehört. Zu dieser zählt auch die Gemeinderätin Hildegard Riedmaier, die im Vorjahr Herbert Heigl an der Spitze der CSU-Fraktion abgelöst hat. "Herr Heigl hat sich immer für den Standort gegenüber der Eisdiele ausgesprochen. Doch jetzt, nachdem er als Fraktionsvorsitzender abgesetzt wurde, versucht die CSU, das Seniorenheim auf das Riedmaier-Grundstück zu bringen", sagt Michael Lilienthal. "Das kann Zufall sein, aber es hat ein gewisses Gschmäckle."

© SZ vom 11.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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