Scientologin klagt:Lizenz zum Kinderhüten

Lesezeit: 2 min

Darf eine Scientologin als Tagesmutter arbeiten? Über diese Frage verhandelt der Verfassungsgerichshof. Er prüft, inwiefern "scientologische Technologien" die Erziehung beeinflussen.

E. Müller-Jentsch

Darf eine Scientologin als Tagesmutter Kinder betreuen? Das Stadtjugendamt sagt aus Sorge um das Wohl der Kleinen "Nein" und will einer Münchnerin die Lizenz zum Kinderhüten entziehen. Doch die Betroffene klagt dagegen: Am heutigen Mittwoch wird dieses heikle Frage vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) verhandelt.

Seit 2009 werden Scientologen in München als ungeeignet für die Tagespflege angesehen. (Foto: Foto: dpa)

"Scientology ist nicht nur eine Gefahr für Einzelne, die in die Fänge der Organisation zu geraten drohen, sondern stellt das politische System der Bundesrepublik Deutschland in Frage." So steht es im aktuellen Bericht des Bayerischen Verfassungsschutzes. Innenminister Joachim Herrmann fordert deshalb "ein Verbot von Scientology".

Die Stadt München sieht das nicht viel anders. Seit Januar 2009 gibt es beim Stadtjugendamt die Dienstanweisung, dass Scientologen von vornherein als ungeeignet für die Tagespflege anzusehen sind.

Als im Mai 2009 ein Mann im Sozialbürgerhaus Sendling auftauchte und erklärte, seine geschiedene Ehefrau sei ebenso Scientologin wie schon deren Mutter, läuteten deshalb bei der Behörde die Alarmglocken: Die heute 38-jährige Ehefrau ist nämlich seit Sommer 2006 amtlich zugelassene Tagesmutter und darf bis zu fünf Kinder betreuen. Schon am nächsten Tag wurde der Frau dieser Job untersagt.

Die Münchnerin, die mit der Kinderbetreuung rund 1600 Euro im Monat verdient, will das Verbot kippen: Es sei zwar richtig, dass sie Scientologin sei, erklärte die Frau vor dem Verwaltungsgericht. Doch dies sei Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung und damit reine Privatsache. Im Umgang mit ihren Schützlingen spiele das überhaupt keine Rolle, beteuerte sie. Bei ihrem Antrag auf Erlaubnis zur Kinderbetreuung habe sie auch niemand nach Scientology gefragt.

Das sieht man beim Stadtjugendamt anders: Die Frau habe die pauschale Frage nach einer Religions- oder Glaubenszugehörigkeit gar nicht beantwortet - also wahrheitswidrig. Jetzt müsse auf jeden Fall unterbunden werden, "dass die Theorien von Scientology in die tägliche Betreuungspraxis einfließen".

Unterstützung findet die Stadt bei der Landesanwaltschaft Bayern. Die verweist auf eine Entscheidung des VGH, der 2008 in einem Eilverfahren der Schließung eines Scientology-Kindergarten in Sendling stattgegeben hatte. Begründung damals: Eine Erziehung nach "scientologischen Technologien" zu einem durch totalitäre Unterwerfung gekennzeichneten und auf die Abschaffung wesentlicher Prinzipien und tragender Grundrechte zielenden Systems müsse unterbunden werden.

Derselbe 12. VGH-Senat, der vor zwei Jahren diese Entscheidung getroffen hat, muss nun auch am Mittwoch den Fall der Tagesmutter entscheiden. Im Vorfeld dieser Hauptverhandlung hatten die Richter aber in einem Eilverfahren schon beschlossen, dass die Frau zumindest vorläufig weiterhin Kinder betreuen dürfe. Allerdings wurde sie dazu verpflichtet, nun ihre Scientology-Mitgliedschaft den jeweiligen Eltern zu offenbaren.

Ein Scientology-Sprecher konstruierte daraus gleich die Behauptung, dass der VGH das Münchner Kinderbetreuungsverbot für verfassungswidrig halte. Doch das Gericht widersprach umgehend und betonte, dass zum Schutz von Kindern generell eine Erziehung nach "scientologischen Technologien" unterbunden werden müsse.

Ob allerdings die Münchnerin solch einen Einfluss auf ihre Schützlinge ausübe, könne erst in der Hauptverhandlung am Mittwoch geklärt werden. Bisher jedenfalls habe die Stadt nicht einmal ansatzweise darlegen können, dass sich die Scientology-Mitgliedschaft auf die Kinderbetreuung ausgewirkt habe, sagte das Gericht.

In der Verhandlung wird voraussichtlich auch die warnende Feststellung im Verfassungsschutzbericht eine Rolle spielen: Scientology schaffe Einrichtungen, "um Kinder und Jugendliche in jeder Lebensphase indoktrinieren zu können, von der Kindertagesstätte bis zum Nachhilfemarkt".

© SZ vom 19.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: