Schultheater:"Faust ist der moderne Mensch"

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Bereits 2014 hat die Waldorfschule zu einem Faust-Festival nach Ismaning eingeladen. Nun knüpfen die Organisatoren an dem großen Erfolg an. (Foto: Robert Haas)

Waldorfschüler inszenieren in Ismaning Goethes ganzen Faust

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Vermutlich von seinem 23. Lebensjahr an bis kurz vor seinem Tod arbeitete Johann Wolfgang von Goethe am Fauststoff, seinem Opus magnum. Tausende Künstler haben sich seither mit dem Drama auseinandergesetzt, Hunderttausende Schüler mussten es im Deutschunterricht lesen, mit wie viel Vergnügen oder Gewinn, das bleibt wohl jedem Einzelnen zu beurteilen. Selten allerdings sieht man den "ganzen Faust" auf einer Bühne, nicht nur den weltbekannten ersten Teil der Tragödie, wie Goethe sein Drama im Untertitel nannte, sondern auch den weitaus sperrigeren Faust II. Dieses Ziel hat sich der Verein Waldorfprojekte aus Ismaning gesetzt: Gemeinsam mit Oberstufenschülern bringen die Veranstalter beim zweiten Faust-Festival Ismaning von 23. bis 27. Februar den Stoff in seiner Gänze auf die Bühne, und das weitgehend ungekürzt.

Vier zwölfte Klassen von Waldorfschulen aus ganz Deutschland sind dafür Ende Februar in Ismaning zu Gast. Jede Klasse - aus Potsdam, Wendelstein nahe Nürnberg, Dresden und Landsberg am Lech - hat sich eines Teils des Fauststoffs angenommen und inszeniert diesen als abendfüllendes Theaterstück. An vier aufeinanderfolgenden Abenden ist so der ganze Faust zu erleben. Zusätzlich wird es für jeden Part eine Vormittagsvorstellung geben. Warum aber fasziniert dieses Stück mehr als 200 Jahre nach seiner erstmaligen Veröffentlichung noch heute? "Man muss sich bewusst machen: Goethe hat 60 Jahre lang am Faust geschrieben. So viele Erfahrungen aus seinem Leben liegen darin", sagt Klaus Weißinger. Der 55-Jährige ist einer der Hauptorganisatoren des Festivals. Seit 22 Jahren unterrichtet der Germanist an der Ismaninger Rudolf-Steiner-Schule und hat sich zudem intensiv mit dem Fauststoff beschäftigt, nicht zuletzt in seiner Dissertation. "Ich habe den Faust selbst sicher zwei Dutzend Mal gesehen und gelesen, aber ich entdecke immer wieder etwas Neues darin, neue Gedanken, neue Ideen", sagt Weißinger.

Besonders fasziniert Weißinger, dass so viele Anstöße aus Goethes Werk bis heute ihre Gültigkeit bewahrt haben. Das sei es auch, was die Schüler so fasziniere, erzählt der Lehrer: "Der Faust ist der moderne Mensch." Auch die Figur des Mephisto als die Personifikation den Bösen regt zu mancher tief gehenden Selbstbefragung an. Beim selbstbestimmten Inszenieren tauchen die Schüler noch einmal tiefer in die Materie ein, setzen sich mit den Lebensfragen, die Goethe seinem Protagonisten, sich selbst und den Zuschauern stellt, intensiv auseinander. Viele der Themen aus Faust I und II - Wirtschaftskraft, Liebe, aber auch die Erschaffung künstlichen Lebens - entdecken die jungen Schauspieler auch im Hier und Jetzt. Das Ergebnis dieser kraftvollen Beschäftigung ist nun beim Festival zu sehen.

Es ist bereits das zweite Mal nach 2014, dass Weißinger und seine Kollegen vom Organisationsteam zum Festival nach Ismaning einladen. "Der Erfolg 2014 hat uns bewogen zu sagen: Lasst uns das noch einmal machen", sagt Weißinger. Vor fünf Jahren dauerten die Inszenierungen insgesamt mehr als neun Stunden lang - für dieses Jahr darf man gespannt sein. Möglicherweise hat das Münchner Faust-Festival im vergangenen Jahr, bei dem mehr als 200 Mitglieder, große und kleine Institutionen der Kunst- und Kulturszene der Landeshauptstadt mitwirkten, den Stoff noch einmal stärker ins Bewusstsein gehoben. Etwa 250 000 Zuschauer besuchten die mehr als 700 Veranstaltungen. Ganz so viele Plätze sind in Ismaning nicht zu vergeben, doch auch das Faust-Festival im Landkreis - das sich mit seiner Erstauflage 2014 die Auszeichnung der früheren Idee zurecht anheften darf - kann eine breite Nachfrage verzeichnen. Anfragen aus den Niederlanden seien bereits eingegangen, berichtet Weißinger. Neben den Aufführungen ergänzen Expertenvorträge zu einzelnen Aspekten des Faust-Stoffes das mehrtägige Programm. Für die jungen Schauspieler ist das Festival nicht nur eine intensive Theatererfahrung vor großem Publikum, sie sollen auch die Gelegenheit haben, sich kennenzulernen und mit den übrigen Gruppen auszutauschen. Um ihre Anreise und Übernachtungen in Ismaning zu finanzieren, haben einige der Schulklassen eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Auch das knüpft thematisch gewissermaßen an, wird Faust doch im zweiten Teil vom suchenden Intellektuellen zum Wirtschaftsexperten.

Die Abendvorführungen finden am Samstag, 23., Sonntag, 24., Montag, 25., und Dienstag, 26. Februar, jeweils von 19 Uhr an in der Waldorfschule Ismaning in der Dorfstraße 77 statt. Die Vormittagsvorstellungen beginnen Sonntag, 24., bis Mittwoch, 27. Februar, jeweils um 10.15 Uhr. Eintrittskarten pro Vorstellung beziehungsweise Abonnements sowie weitere Informationen zu Inhalt und Begleitprogramm sind erhältlich im Internet unter www.faust-festival.de sowie reservierbar unter Telefon 0160/78 02 991.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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