Sauerlach:Falsche Scham

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Stiftung bleibt auf Geld sitzen

Von Michael Morosow, Sauerlach

Pecunia non olet, lautet eine lateinische Redewendung - Geld stinkt nicht. Darauf würde Diplomingenieur Albert Richard Sohr vielleicht hinweisen, wenn er noch unter den Lebenden weilen würde. Mit letztwilliger Verfügung vom 13. Dezember 1994 hatte er bestimmt, dass das aus dem Verkauf seines Anwesens resultierende Vermögen, umgerechnet 352 500 Euro, nach seinem Tod in eine Stiftung eingebracht wird, die "zum Zwecke der Unterstützung von bedürftigen und begabten Studenten der Naturwissenschaften" aus Sauerlach einzurichten sei. Wer nun glaubt, bedürftige und begabte Studenten der Physik, Chemie oder Biologie würden seither bei der Stiftungsverwalterin, der Gemeinde, die Tür einrennen und die Hand aufhalten, der irrt.

Gegenwärtig nimmt gerade einmal ein einziger junger Sauerlacher ein Stipendium aus dem Vermögen der "Studienstiftung Sohr, Arget" in Anspruch, das inzwischen auf 464 606,02 Euro angewachsen ist. Für das Herbstsemester gebe es aber eine weitere Anfrage, sagte Sauerlachs Bürgermeisterin Barbara Bogner jetzt bei den Haushaltsberatungen der Gemeinde. Josef Bacher-Maurer (CSU) sprach von einer "ganz unglücklichen Stiftung", weil der Stiftungszweck zu eng formuliert sei.

Aber das allein kann es nicht sein. Nachdem sich trotz mehrmaliger Aufrufe im Gemeindeblatt kein einziger Student mit dem Wunsch nach einem Stipendium gemeldet hatte, erweiterte der Gemeinderat 2008 den Stiftungszweck auf "die Förderung von bedürftigen und begabten Kindern zu Zwecken eines Studiums, vor allem eines naturwissenschaftlichen Studiums". Die Mühen verpufften wirkungslos.

Inzwischen glaubt man im Rathaus, den Grund für die Zurückhaltung der bedürftigen und begabten jungen Sauerlacher gefunden zu haben: Niemand will sich als Bettelstudent zu erkennen geben. Um ihre Bedürftigkeit nachweisen zu können, müssen die Interessenten nämlich einen Einkommensnachweis ihrer Eltern vorlegen. "Viele wollen sich nicht outen, die schämen sich an der falschen Stelle", sagte Bogner. Dabei sei eine anonyme Behandlung des Antrags garantiert.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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