Rückzug aus dem Gemeinderat:"Ich will persönlich reifen"

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Nur 14 Monate nach der Kommunalwahl gibt Christina Schutz ihr Gemeinderatsmandat in Ottobrunn wieder auf. Die 19-Jährige, die für die CSU in das Gremium eingezogen ist, begründet diesen Schritt sehr offen mit ihrer mangelnden Erfahrung.

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

In der Mittagspause nimmt sich Christina Schutz Zeit, um sich zu erklären. Um ihre Beweggründe darzulegen. Für einen Schritt, der nicht alltäglich ist. An diesem Mittwoch legt die 19-Jährige, die eine Ausbildung im Bereich Coaching absolviert und zum Wintersemester ein Studium beginnen will, ihr Mandat als Ottobrunner Gemeinderätin nieder - nur 14 Monate nach der Kommunalwahl. Ihr wird Gaby Liebisch nachfolgen. Ein Gespräch über den Mut, als junger Mensch in die Kommunalpolitik zu gehen - und den Mut, diese auch wieder verlassen zu dürfen.

SZ: Immer wieder wird gefordert, mehr junge Menschen müssten sich in der Politik engagieren. Sie sind dieser Forderung nachgekommen - nun aber ziehen sie sich nach knapp einem Jahr als Gemeinderätin wieder zurück. Hat Sie die Kommunalpolitik derart enttäuscht oder gar schockiert?

Christina Schutz: Nein, überhaupt nicht. Es ist ein Schritt, der mir nicht leicht fällt. Ich habe mich unter den Kollegen in der Fraktion und im Gemeinderat sehr wohl gefühlt. Aber ich habe in diesem Jahr gemerkt, dass ich noch nicht so weit bin, um mich aktiv einzubringen. Dass mir dafür die Erfahrung fehlt. Und diese Erkenntnis, ist für mich zur Belastung geworden - zeitlich und mental.

Die Erkenntnis ist selbst für eine Kommunalpolitikerin außergewöhnlich. Wann ist bei Ihnen die Entscheidung gereift, nicht weiter machen zu wollen?

Das war ein Prozess. Ich bin ja voller Euphorie an die Sache herangegangen, mit dem Willen, mich wirklich einzubringen. Aber ich habe dann schnell gemerkt, dass es für mich sehr schwer ist, tatsächlich aktiv an Entscheidungsfindungsprozessen teilzunehmen. Und nur still dasitzen und zuhören - das kann es bei so einem wichtigen Amt auch nicht sein.

Wie haben Sie die Arbeit im Gemeinderat und in der CSU-Fraktion wahrgenommen? Haben Sie möglicherweise ein wenig Hilfestellung von erfahrenen Kollegen vermisst?

Das war eigentlich nie ein Problem. Sowohl im Gemeinderat, der ja wirklich sehr zielorientiert und meistens auch harmonisch arbeitet, als auch in der Fraktion habe ich viel Unterstützung erfahren. Ich konnte alle Kollegen immer alles fragen. Und ich nehme aus meiner kurzen Arbeit vor allem mit, dass diese Arbeit sehr in die Tiefe geht, dass es Geduld und Ausdauer erfordert, sich einzuarbeiten.

Hat Ihnen da letztlich etwas Geduld gefehlt?

Ich glaube, es liegt eher daran, dass ich an mich selber sehr hohe Ansprüche anlege. Als es vor der Wahl darum ging, die Listenplätze zu besetzen, habe ich zuerst schon überlegt, ob ich überhaupt kandidieren soll. Ich habe dann zugesagt, weil ich der Gemeinde, die 19 Jahre lang viel für mich getan hat, auch etwas zurückgeben wollte. Das sollte ja auch der Anspruch an Politiker sein. Nur hat dann die Erkenntnis eingesetzt, dass ich genau diesem Anspruch nicht gerecht werden kann.

Fehlt Ihnen die politische Vorarbeit - etwa in der Jungen Union oder der Partei?

Ich habe früh angefangen, mich für Politik zu interessieren. Ich habe auch lange abgewogen, wo ich mich engagieren will - und mich dann für die CSU entschieden, weil sie in meinen Augen Tradition und Zukunft verkörpert. Dann habe ich versucht, in Ottobrunn einen JU-Ortsverband aufzubauen und bin damit leider aus verschiedenen Gründen gescheitert; ich war Beisitzerin im Ortsverband und habe mich schon aktiv eingebracht. Daran liegt es also nicht. Ich glaube, es ist die Lebenserfahrung, die mir fehlt.

Kommt der frühe Einstieg mit nur 19 Jahren in die Kommunalpolitik also allgemein zu früh?

Bei mir war das so, ja. Ein 35-Jähriger, der längst im Beruf ist, ein Haus gebaut und eine Familie gegründet hat, ist mir in punkto Lebenserfahrung einfach weit voraus. Das kann ich so schnell nicht aufholen. Aber man kann das Thema Jugend sicher nicht verallgemeinern, das wäre unfair - es ist vom Typ abhängig, wie schnell sich jemand in so einem durchaus anspruchsvollen Ehrenamt zurecht findet.

Was raten Sie einem jungen Menschen, der Ihnen nacheifern und für einen Gemeinde- oder Stadtrat kandidieren will?

Grundsätzlich: Nehmt euch Zeit. Wartet, bis ihr wirklich gefragt werdet, und macht nicht den ersten vor dem zweiten Schritt. Man sollte sich auch über jeden jungen Menschen freuen, der sich engagieren will. Ich tue das auch und wollte natürlich auch so etwas wie ein Vorbild sein.

Empfinden Sie Ihren Rücktritt selbst als ein Scheitern?

Nein. Denn - egal wie alt man ist - man sollte sich auch die Freiheit nehmen, sich wieder zurückzuziehen. Auch dafür braucht es Selbstbewusstsein. Man muss sich eingestehen dürfen, dass es für manche Sachen im Leben zu früh ist.

Können Sie sich eine Rückkehr in den Gemeinderat oder ein anderes politisches Amt vorstellen?

Ja. Dann, wenn ich weiß, wer ich bin und was ich wirklich will. Ich will meine Zeit nutzen, um mich frei zu entwickeln, ich will persönlich reifen. Wenn ich diesen Schritt getan habe, dann kann ich mir auch vorstellen, mich wieder aktiv einzumischen. Bis dahin sind aber andere für das Amt besser geeignet. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

© SZ vom 20.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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