Rektorin Betty Pauker:"Das vorschulische Jahr sollte verpflichtend sein"

Lesezeit: 3 min

Betty Pauker ist Leiterin der Grundschule am Wald in Taufkirchen. Toleranz und Wertschätzung hat sie als oberste Ziele der Einrichtung festgeschrieben. (Foto: Claus Schunk)

Betty Pauker hat an der Grundschule am Wald Möglichkeiten, die andere Rektoren nicht haben. Wunschlos glücklich ist sie nicht

Interview von Iris Hilberth, Taufkirchen

Die Grundschule am Wald steht im Mittelpunkt der Taufkirchner Integrationsbemühungen. Dort ist die Fachstelle der Gemeinde (Isa) angesiedelt und mit Betty Pauker steht eine engagierte Schulleiterin an der Spitze, die Vielfalt als Bereicherung sieht.

SZ: 20 Nationen haben Sie an Ihrer Schule. Das prägt natürlich die kulturelle und sprachliche Vielfalt. Wie gelingt es da eine Schulgemeinschaft zu schaffen?

Betty Pauker: Wir kennen nichts anderes als unser buntes Völkchen. Und wir arbeiten einfach von Anfang an daran, diese Interkulturalität mit den Kindern zu leben, sie so zu nehmen, wie sie sind, und sie bestmöglich zu fördern.

Taufkirchen hat ein eigenes Integrationskonzept entwickelt. Was bringt denn das für Ihre Schule?

Eine ganze Menge. Wenn wir die Unterstützung der Gemeinde nicht hätten, wären wir längst nicht so weit mit der Integration. Die Gemeinde nimmt wirklich Geld in die Hand und stellt der Schule auch Personal. Gerade mit der Schulsozialarbeit, der Isa, macht sie Angebote, mit denen die Kinder und Eltern die kulturelle Teilhabe verwirklichen können. Es gibt viele Vergünstigungen bei Vereinen für diejenige, die sich das sonst nicht leisten könnten. Das ist ein wesentlicher Punkt für die kulturelle Teilhabe. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Musikschule, die auch in unserer Schule wirkt, damit unsere Kinder Instrumente lernen können.

Können Sie Beispiele nennen, was Taufkirchen anbietet, was es sonst nirgends gibt?

Taufkirchen hat zum Beispiel die Schulsozialarbeit sehr verstärkt. Wir haben an unserer Schule die Möglichkeit, mit einem männlichen und einem weiblichen Schulsozialarbeiter zu arbeiten, die unseren Kindern und Eltern als wesentliche Ansprechpartner dienen. Wir haben zudem Arbeitsgemeinschaften für unsere Kinder und das Sprachmodell, die Sprachförderung, die schon in den Kindergärten eingesetzt wird. Es ist ein breiter Fächer an Unterstützung für die Kinder und Eltern.

Dann sind Sie auch noch Modellschule in Bayern, haben also auch ein ganz eigenes Lernkonzept. Welche Vorteile hat das in Bezug auf die Integration?

Es hat viele Vorteile, weil es ein sozial gestärktes und ein sehr individualisiertes Lernen ermöglicht. So können die Kinder gemäß ihrem Sprachstand und ihrem Vermögen starten und auch genügend Zeit ausschöpfen, um den Lernstand zu erreichen und weiterzugehen. Auch bietet dieses sozial gestärkte Lernen ja die Möglichkeit, dass die Kinder mit anderen sehr intensiv in Kontakt kommen, sich vielleicht einen deutschen Freund suchen, der ihnen hilft, und so einfach gut integriert werden.

Die Kinder aus den Asylbewerberunterkünften gehen in Ihre Schule. Wie integrieren sie gerade diese Kinder?

Wir wollen sie ganz bewusst in unsere normalen Klassen integrieren und zwar immer ein, höchstens zwei Kinder in einer Klasse, damit sie einfach die Kontakte zu den Kindern und die Kontakte im Ort haben. Wir organisieren aber noch separates Deutschlernen für diese Kinder. Eine Lehrkraft an unserer Schule kümmert sich darum und legt Wert darauf, dass auch das System der Schule vermittelt wird. Seit September arbeiten wir auf diese Weise und schon im November haben wir festgestellt: Diese Kinder sind mit ihren Eltern in der Schule angekommen und lernen freudvoll und begierig. Wir machen wirklich gute Fortschritte mit diesem Modell, weil die Kinder eben nur zum Deutschlernen rausgenommen werden und sehr individualisiert die Sprache lernen. Sonst, in den musischen Fächern und in der Mathematik, wo sie oft schon viele Kenntnisse haben, können sie mit den anderen, mit der Großklasse lernen. Und das stärkt diese Kinder sehr.

Was wünschen Sie sich von der Politik, damit Integration noch besser funktioniert?

Dass die Kinder die Möglichkeiten haben, Kindergärten zu besuchen. Das vorschulische Jahr sollte verpflichtend sein, damit die Kinder dort gut vorbereitet werden. Auch würde ich mir wünschen, dass wir gerade bei den Kinder mit Migrationshintergrund in kleineren Gruppen lernen und noch mehr auf die Bedürfnisse eingehen können.

Also bräuchten Sie mehr Personal?

Mit kleineren Gruppen braucht man mehr Personal, das ist richtig. Zudem sind entsprechende Räumlichkeiten notwendig, um besser fördern zu können. Aber ich finde auch die Betreuung am Nachmittag sehr wichtig. Denn diese festen Strukturen sind für die Kinder - nicht nur für die Flüchtlingskinder, auch für die Migrantenkinder allgemein - sehr, sehr wichtig. Unsere Migranteneltern haben inzwischen ein hohes Bildungsbewusstsein. Wir stellen an unserer Schule fest, dass immer mehr Kinder weiterführende Schulen besuchen können.

Damit verbunden wäre ein neues Schulhaus, das entsprechend konzipiert ist?

Das würde uns sehr helfen, weil wir räumlich nicht mehr so eingeengt wären. Unser Lernkonzept mit der flexiblen Grundschule würde noch besser verwirklicht werden und die Kinder könnten selbständig gemäß ihrem Stand erfolgreicher weiterlernen.

© SZ vom 13.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: