Putzbrunn:Reine Gefühlssache

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Was für sie Heimat ist, erklären (v.l.): Özlem Sarikaya, Herta Daniel, Lourdes Maria Ros de Andrés, Norbert Göttler und Edwin Klostermeier. (Foto: Claus Schunk)

Podiumsdiskussion zum Thema "Heimat" im Bürgerhaus

Von Angela Boschert, Putzbrunn

Was ist Heimat? Der Interkulturelle Stammtisch "Mitanand" und die Volkshochschule Südost hatten zu einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion ins Bürgerhaus Putzbrunn eingeladen, um Gedanken zum Thema "Heimat" anzustoßen. 120 Besucher hatten daran Interesse. "Heimat" sei ein komplexer Begriff, der territorial, temporär, emotional und humoristisch betrachtet werden könne, sagte BR-Radio-Journalist und Moderator Stefan Kreutzer einleitend. "Heimat" ist mit Gefühlen verbunden, die durch Erinnerungen an bestimmte Gefühle, Gerüche, Geräusche oder auch Gesichtseindrücke und Erlebnisse geprägt sind.

Der Begriff werde vielfältig verwendet, zeigte Florian Kührer-Wielach aus Österreich, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München über deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas forscht, in seinem Impulsreferat. Es sei aber auch ein Politikum, wie Wahlkampfparolen zeigten, und werde auch als Markenbegriff verwendet, etwa von der Neuen Heimat. Die Frage sei: "Was ist für uns Heimat" oder humoristisch gefragt: "Was nehme ich mit auf eine einsame Insel, um dort ein Heimatgefühl zu haben".

Heimat sei für sie dort, "wo es normal ist, da zu sein" und "wo ich mich wohlfühlen kann, weil mich Menschen nicht ständig hinterfragen", so die BR-Fernsehjournalistin Özlem Sarikaya, die das interkulturelle Kulturmagazin "Puzzle: Viele Kulturen - ein Land" moderiert. Norbert Göttler, der Bezirksheimatpfleger von Oberbayern, sprach von "Heimaten", die jeder Mensch habe: eine, wo er geboren oder und aufgewachsen sei, eine, in der er lebe. Diese "Heimaten" könnten voneinander verschieden sein, müssten es aber nicht. Auch könnten sie als Empfindung negativ sein.

Sie habe Siebenbürgen in ihrer Erinnerung, sei aber in Deutschland zu Hause, sagte Herta Daniel vom Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Ihre "immaterielle Heimat" trage sie im Herzen und nähme sie überall hin mit. Das Wort "Heimat" gebe es in anderen Sprachen nicht. So bezeichne in den romanischen Sprachen der Wortstamm "patria" das Vaterland, im Ungarischen sei sinngemäß "Elternehre" enthalten, im Slawischen "Haus".

Lourdes Maria Ros de Andrés von der Initiativgruppe Interkulturelle Begegnung und Bildung betonte, "Heimat" werde von Kultur geprägt. Wo ständig erwartet werde, dass sie oft Flamenco tanze und Paella esse, fühle sie sich nicht wohl. Das mache nicht ihr Herkunftsland Spanien aus. Sie wünsche sich interkulturelles Wahrnehmen, Denken und Handeln, vereint mit Akzeptanz und Achtung gegenüber anderen. Wenn soziale Medien für Beleidigungen und Diffamierungen genutzt würden, müssen Politiker tätig werden, ergänzte Putzbrunns Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD). Die Frage aus dem Publikum, ob jeder Mensch ein Heimatgefühl brauche, bejahte jeder im Bürgerhaus. Doch kann dieses verschieden sein, wie auch die Vielfalt der Gegenstände zeigt, welche die Diskussionsteilnehmer mit auf die einsame Insel nehmen würden: von Familie über Smartphone, Tracht und "kofferweise Weltliteratur" bis zum "Revolver", den Bezirksheimatpfleger Göttler einpacken würde, weil eine einsame Insel für ihn "die Hölle sei". Tatsächlich haben die Flüchtlinge in der Traglufthalle Neubiberg vor allem Smartphones und Musikinstrumente mitgebracht, wie Elisabeth Stein vom Fachbereich Integration der Volkshochschule Südost berichtete.

Eine endgültige Definition des Begriffs "Heimat" brachte der spannende Abend nicht, zeigte aber, dass interkulturelles Miteinander auch unser modernes Leben bereichern kann. Am Stammtisch "Mitanand" wird die Diskussion fortgeführt. Informationen unter info@vhs-suedost.de.

© SZ vom 08.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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