Pullach:Wohnhaus statt Provisorium

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Weil sich die Flüchtlingssituation entspannt hat, kippt Pullach die Planung für das Grundstück an der Heilmannstraße

Von Melanie Artinger, Pullach

Eine Veränderung der Situation erfordert eine Anpassung der Maßnahmen, da ist sich der Pullacher Gemeinderat einig. Eine Belegung der Turnhalle ist erst mal vom Tisch und auch sonst hat sich die Lage bezüglich der Unterbringung von Flüchtlingen in der Isartalgemeinde entspannt. Und so kippte der Gemeinderat den Anfang Februar geschaffenen Beschluss, auf dem Grundstück an der Heilmannstraße 53 und 55 provisorische Holzgebäude der Firma Feel-Home-Häuser zu bauen und befürwortet stattdessen bei zwei Gegenstimmen die Errichtung eines Wohngebäudes. Dort soll den derzeit auf Burg Schwaneck lebenden unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen eine Unterkunft geboten werden.

Im März kamen zwei Flüchtlingsfamilien mit jeweils fünf zum Teil noch kleinen Kindern aus der Traglufthalle Taufkirchen in Pullach an. Durch die Anmietung verschiedener Objekte konnten mittlerweile 85 Asylsuchende im Verfahren sowie 35 anerkannte Flüchtlinge in der Gemeinde untergebracht werden. Durch die Schließung der Balkanroute und die Fertigstellung von Objekten in anderen Landkreisgemeinden sei die Situation nun eine völlig andere als Anfang Februar, so der Tenor. Auf der Tagesordnung des Gemeinderates: ein Antrag der Agenda 21, der eine nachhaltige Bebauung der Heilmannstraße 53/55 sowie die Inanspruchnahme von Fördermitteln fordert. Doch zur Diskussion kam dieser Antrag gar nicht erst. Gemeinderat und Architekt Wilhelm Wülleitner (Grüne) stellte stattdessen eine Konzeptstudie für eine Bebauung des Grundstücks vor. Darin griff er die inhaltlichen Eckpunkte des bestehenden Beschlusses auf. Da eine Nutzung zur Unterbringung und Betreuung der Jugendlichen angestrebt wird, beachtet der Vorschlag auch die entsprechenden Vorgaben für die Jugendhilfeeinrichtungen der oberbayrischen Regierung. Auf 1300 Quadratmetern Wohnfläche sollen zehn Gruppen untergebracht werden. Das vierstöckige Gebäude ist als Stahlbeton-Skelettbau konzipiert, um die Grundrisse variabel zu halten. So kann das Gebäude zunächst entsprechend dieser Vorgaben gestaltet werden. Dennoch können später durch nichttragende Innenwände verschiedene Konzepte für die 26 Wohneinheiten realisiert werden. Entscheidend ist dabei auch die Errichtung einer Tiefgarage, um bei Wohnnutzung den Stellplatzschlüssel zu erfüllen. Eine vorläufige Kostenschätzung beläuft sich auf 6,4 Millionen Euro. Dafür soll das Förderprogramm der Regierung von Oberbayern für Kommunalen Wohnbau in Anspruch genommen werden.

Die Zeitplanung müsste sich an der Rückkehr zum Jugendherbergsbetrieb auf der Burg Schwaneck Mitte 2017 orientieren. "Das ist sehr sportlich", ist sich Wülleitner bewusst. Er geht dabei von vier Monaten zur Planung und Genehmigung des Projektes sowie einer Ausführungszeit von zwölf Monaten aus. Andreas Most, Fraktionssprecher der CSU, bezeichnete den Vorschlag als "guten Fortschritt im Sinne der Sache". Dem Ursprungsanliegen, den minderjährigen Flüchtlingen, die sich bereits in der Gemeinde integrieren, auch eine Perspektive bieten zu können, werde er gerecht. Dabei müsse man aber eben auch die Pullacher Bürger im Blick behalten, die auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum sind.

Derzeit finden sich 110 Anträge auf der Warteliste für gemeindeeigene Wohnungen. Hinter einem Antrag stehen zum Teil Familien mit bis zu fünf Personen. Dies sei aber bei weitem nicht Ausdruck einer propagierten Wohnungsnot, sondern oftmals lediglich ein Tausch von einer größeren in eine kleinere Wohnung, ist Angelika Metz (Wir in Pullach, WIP) überzeugt. Schließlich würde hier niemand unter der Isarbrücke leben müssen. Außerdem forderte Metz die Gemeinderatsmitglieder auf, die "Kasse im Auge" zu behalten. In den nächsten Jahren stünden Investitionen in Millionenhöhe an. Auch aus diesem Grund sah der ursprüngliche Beschluss die Zwischenschaltung eines Investors vor, so Metz.

Holger Ptacek (SPD) hielt dagegen, dass die Gemeinde dann aber auch auf einen "Löwenanteil der Mieteinnahmen" verzichte. Während Alexander Betz (FDP) die aktuelle Entwicklung sehr begrüßt, äußerte der Fraktionssprecher der WIP, Reinhard Vennekold, Zweifel daran, dass die Gemeinde die Fördermittel für dieses Projekt erhalten könne, da die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge noch nicht anerkannt seien. Dieser Status werde aber in den Voraussetzungen des Förderprogramms gefordert.

Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) geht davon aus, dass die jugendlichen Flüchtlinge einen gesicherten Aufenthaltsstatus, zumindest für den Zeitraum ihrer Ausbildung, erhalten und den anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt werden. Dies müsse jedoch noch abgeklärt werden. Obwohl sein Antrag lediglich zur Kenntnis genommen wurde, zeigte sich Bert Eisle von der Agenda 21 sehr erfreut. Schließlich war das Ziel gewesen, einen Konsens über Fraktionen hinweg herbeizuführen und nachhaltigen Wohnungsbau zu ermöglichen. Letztlich sei man mit dem aktuellen Vorschlag sogar schon einen Schritt weiter.

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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