Pullach:Von zarter Beseeltheit

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Glänzt auf dem Flügel, den er einst selbst für das Pullacher Bürgerhaus mit ausgesucht hat: Gerhard Oppitz. (Foto: Angelika Bardehle)

Pianist Gerhard Oppitz überzeugt mit suggestiver Souveränität

Von Udo Watter, Pullach

Der Meister setzt sich, hält kurz inne, wendet den Blick in den Raum. Und auch der Saal hält den Atem an. Stille wird greifbar. Musik kommt aus der Stille und endet in ihr, sagen große Musiker wie Daniel Barenboim. Und in der Tat: Vielleicht zeitigt Klaviermusik umso tiefere Wirkung je elaborierter das Verhältnis zur Stille ist, und nicht so sehr eine tastenakrobatische Fulminanz.

Gerhard Oppitz gelingt es, noch bevor er die ersten Töne von Beethovens Sonate "Der Sturm" in den Raum hinein gleiten lässt, mit leisem Charisma genau diese kollektive Aura der Konzentration zu schaffen, die er für so wesentlich beim Erfassen von Musik hält. Der bald 65-jährige Pianist, der 1977 als erster Deutscher den Arthur-Rubinstein-Wettbewerb in Tel Aviv gewonnen hat, ist ein zurückhaltender Vertreter seines Fachs, dem jegliche Manieriertheit fremd ist. Im Pullacher Bürgerhaus spielt er ein Programm mit drei Klassikern der Klavierliteratur: neben der Sturm-Sonate noch Beethovens "Appassionata" und Schubert letzte Klaviersonate in B-Dur. Er spielt sie auf einem Instrument, zu dem er eine besondere Beziehung haben dürfte. Oppitz, der einen Pilotenschein hat und gelegentlich selbst zu Konzerten fliegt, hat beim Kauf des Pullacher Steinways in den Neunzigerjahren beim Auswählen ein gewichtiges Wörtchen mitgeredet. Man darf nach diesem Konzert sagen: Das Verhältnis der beiden ist immer noch sehr liebevoll. Bei Oppitz, in dessen Laufbahn die deutsche Musiktradition immer eine wesentliche Rolle einnahm, steht nicht so sehr die technische Brillanz im Fokus, sondern das Entfalten der musikalischen Essenz, die tiefere Substanz, die pianistisch angemessen herauszuholen, eine lange und intensive Beschäftigung mit dem Werk bedingt. Bei der "Sturm"-Sonate befleißigt er sich eines weichen, mitunter federnden Anschlags, der die Grenzen des Pianissimo auszuloten sucht, lässt die Töne immer wieder langsam verlöschen mit durchaus großzügigem Pedal-Einsatz, und kontrastiert das mit aufwühlenden, stürmischen Passagen, ohne allzu scharf zu artikulieren.

Die Kunst, Expressivität zu entfalten, ohne auftrumpfen zu müssen, zeigt er auch bei der "Appassionata". Er spielt quasi mit zurückhaltender Inbrunst, da verbreitet sich virtuos eine innere Kraft, eine beseelte Zartheit, die diesem vielleicht schönsten Klavierwerk Beethovens gerecht wird. Oppitz läuft auch nie Gefahr, zwangsoriginell zu interpretieren, das Tempo ist vereinzelt zwar sehr gemäßigt, doch auch diese Momente werden von einer inneren, sanften Spannung getragen. Und auch wenn die Darbietung technisch nicht makellos ist, zeigen die Finger, gerade im furiosen dritten Satz, noch immer beeindruckende läuferische Qualitäten.

Ähnlich suggestiv und mit souveräner Phrasierungsintelligenz trägt Oppitz Schuberts B-Dur-Sonate vor. Schön, wie er hier nicht nur die düsteren Wege des kurz vor Schuberts Tod geschriebenen Werkes beschreitet, sondern auch im Diskant leise Töne funkelnd ausleuchtet. Ein forderndes, langes Werk, und so ist es auch schlüssig, dass Oppitz keine Zugabe spielt. Ein virtuoses Glanzstück zum Abschluss hätte ohnehin nicht gepasst.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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