Pullach:Torkelnde Melodien

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Sebastian Manz an der Klarinette spielte mit seinem Quintett Paul Hindemiths kleine Kammermusik. (Foto: Claus Schunk)

Bläserquintett intoniert Klassik und Seemannslieder

Von Julian Carlos Betz, Pullach

Ein "Konzert der besonderen Art" verspricht Klarinettist Sebastian Manz, und schon der Einstieg des Quintetts im Pullacher Bürgerhaus beweist, dass sie ihr Versprechen halten. Auch die folgenden Stücke von Hindemith, Françaix und Nielsen führen diesen ersten Eindruck weiter bis zum Schluss.

Da der dem Ensemble angehörige Hornist David Fernández Alonso krankheitsbedingt ausfiel, stand Johannes Lamotke für ihn auf der Bühne, selbst Solohornist an der Komischen Oper Berlin. Auch Ramón Ortega-Quero fehlte, mit ihm wurde das Debütalbum der Gruppe aufgenommen. Stattdessen an der Oboe war Johannes Grosso, Preisträger unter anderem des Wettbewerbs Prager Frühling, der sich ebenfalls gut integriert zeigte.

Gleich zu Beginn wird das Publikum mit drei Shanties von Malcolm Arnold in eine lockere Unruhe versetzt. Die "Seemannslieder", wie Manz hinterher erklärt, werden hier von Arnold humorvoll verwoben mit dissonanten Brüchen, die immer wieder in fidelen Läufen von Instrument zu Instrument auch die Genregrenze zum Jazz überschreiten. Tonale Harmonie in gefühlvoller Abwechslung mit scharfen Exaltationen erwartet einen schließlich auch bei dem überaus reizvollen Quintett Nr. 1 von Jean Françaix, veröffentlicht 1948 und trotz der historischen Umstände voller Witz und rhythmischer Leichtigkeit. Torkelnde Melodien, die laut Manz eher als Sequenzierungen zu sehen sind, spielerisch wirkende Verzögerungen, Hemmungen, Stauungen, die sich anschließend in einem grobschrittig-grazilen Weiterwandern fortsetzen. Zuletzt, im vierten Satz dann der zirkusartige, furiose Auftakt zu einem von Horn und Fagott angeführten Marsch ohne militärische Gravität aber mit umso mehr Anklängen an skurrile Situationen, wie in den Filmen des französischen Regisseurs Jacques Tati.

Nach der Pause wird es dann noch einmal 'klassischer', mit Paul Hindemiths "Eine kleine Kammermusik" von 1922 und Carl Nielsens Bläserquintett op. 43 aus dem gleichen Jahr. Hier findet nun auch die Kriegserfahrung seinen Eingang: nicht nur bei den unbewusst marschierenden Klängen im dritten Satz von Hindemith, ein zartes Ostinato, das gemeinsam mit düster-traurigen Einschüben eine Ahnung von Gefahr aufkommen lässt, sondern gerade mit dem vorwärts drängenden, dynamischen und mit "Sehr lebhaft" überschriebenen fünften Satz des Stücks. Auch bei Nielsens Quintett, einem sakral wirkenden Werk, wie es Manz beschreibt, gerät das Ende zum traurigen Bekenntnis, wenn das gestopfte Fagott die vorherigen Sätze aus ihrer beruhigenden und sich selbst versichernden Wärme wie in eine tiefe Grube hinablässt. Das bekannte Motiv aus dem ersten Satz, bestehend nur aus vier schnellen Tönen für die Querflöte, bleibt lange im Ohr und auch das Flötensolo im dritten Satz wirkt nach, nicht zuletzt wegen der energischen Spielweise Magali Mosniers. Zum Abschied gibt es dann noch das Gitarrenstück "That lonesome road" von dem amerikanischen Musiker James Taylor, arrangiert von Manz für das Quintett. Ein melancholischer Song, der sich in der Vielstimmigkeit des Ensembles wunderbar auffaltet und einen durchatmen lässt.

© SZ vom 20.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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