Pullach:Teuflische Triller

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Agieren ohne Dirigenten: Die Mitglieder des Kammerorchesters der Prager Philharmonie bei ihrem Konzert im Bürgerhaus. (Foto: Angelika Bardehle)

Geigerin Soyoung Yoon überzeugt mit Prager Kammerorchester

Von Julian Carlos Betz, Pullach

Im Schlaf soll dem Komponisten die Eingebung zu seiner g-Moll-Sonate, auch "Teufelstrillersonate" genannt, gekommen sein. So gut muss sie in seinem Traum gewesen sein, dass Giuseppe Tartini die eigene Schöpfung als minderwertig bezeichnete, im Vergleich zu der von ihm selbst schlafend erlauschten Melodie. Die Sonate gilt also als ein Werk des Teufels und als ebenso schwer zu spielen. Mit dem Auftritt von Soyoung Yoon und ihrer Geige hat der biblische Widerpart des Herrgotts jedoch offenbar nicht gerechnet, denn sie verwandelt im Pullacher Bürgerhaus gemeinsam mit dem Prager Kammerorchester mal eben die teuflischen Triller und Läufe in himmlische Klänge, deren Dämonie quasi wie bezwungen erscheint.

Mit 17 Jahren bereits Preisträgerin des prestigeträchtigen Yehudi Menuhin Wettbewerb, ist die Südkoreanerin Yoon mittlerweile erste Konzertmeisterin beim Basler Sinfonieorchester und Mitglied des "Orion String Trio". Das Kammerorchester PKF - Prague Philharmonia, das sich aus dem gleichnamigen Sinfonieorchester rekrutiert und bereits seit 1994 besteht, begleitet sie an diesem Abend.

Bevor Yoon zu ihrem großen Auftritt kommt, wärmt das Ensemble die Zuhörer erst einmal mit dem Divertimento in D-Dur für Oboe, zwei Hörner und Streicher von Mozart vor. Das Stück kommt zu Beginn recht unaufgeregt daher, klare Violinpartien und eine gemessene Oboe mit adrett im Hintergrund agierenden Hörnen spielen rhythmisch sauber die ersten beiden Sätze. Mit dem dritten kommt das Orchester schließlich zu sich, erst ein starker, führender Violinpart, dann nimmt die Oboe das Hauptmotiv auf und repliziert es zart und selbstbewusst. Mit den letzten beiden Sätzen, einem Rondo und sich direkt anschließendem Marsch kommt noch einmal Schwung in den Saal. Eine reizende Mollepisode gefällt besonders, in der die Oboe sachte zurückfällt und wie benommen einige Triller erklingen lässt, die dadurch umso spannender wirken.

Dann betritt Soyoung Yoon die Bühne. Keine Allüren, keine Feen-Aura wie bei Alice Sara Ott, sofort Entschlossenheit: ein dichtes Vibrato, das zurückhaltend wirkt, aber doch kraftvoll klingt, die Triller verschwinden fast unter den flinken Fingern, luftiges, hochgeistiges Spiel. Im dritten Satz kommt doch mal so richtig das Dämonische durch, mit einer von Besessenheit getragenen Passage hin zum letzten Satz. Hier liefert Yoon ihre Kür mit einem messerscharfen Solo, die Triller erklingen als eine durchschwingende Linie und die behände Bogenführung lässt keinerlei Genauigkeit bei der Artikulation missen.

Nach der Pause wird es wieder gemütlicher mit Haydns Sinfonie Nr. 25 in C-Dur, gleichwohl kompositorisch interessant: Besonders der Einstieg mit dem wie ein abgesetztes Vorspiel wirkenden Adagio, auf den ein plötzliches Allegro molto folgt, lässt aufhorchen. Der zweite Satz bedient barocke Fantasien mit schlängelnden Variationen und einer heiteren Pizzicato-Begleitung der Kadenz im Trio. Zum Abschluss bildet ein Presto die Synthese aus Allegro und Menuett, das wiederum recht abrupt endet. Danach durfte das Publikum sich noch einmal der hervorragenden Fertigkeiten der Solistin erfreuen mit der Interpretation des fünften Violinkonzertes von Mozart. Wieder beeindruckt die Artikulation: Sie ist unbeschwert, keine Brüche im Vortrag mindern das hauchdünn durchgehaltene Vibrato. Allein die wie ein natürlicher Reflex des Fingers wirkenden Triller klingen bisweilen ein wenig automatisch. Ungeachtet dessen verdichtet Yoon angemessen atmosphärisch und ihre Fingerfertigkeit bringt die nötigen Pointen hervor. Auch hier Bravo-Rufe.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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