Pullach:Punktgenau präpariert

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Das Schumann-Orchester bringt Mozart ein würdiges Geburtstagskonzert. Sylvia Dankesreiter begeistert als Solistin

Von Reinhard Szyszka, Pullach

"Welchen Gedenktag haben wir heute?" Ernst Gülpen legte die Hand hinters Ohr. "Mozart!" kam es sofort aus dem Publikum zurück. Richtig, am vergangenen Mittwoch beging die Musikwelt den 260. Geburtstag Mozarts, und genau dieses Datum hatte sich das Schumann-Orchester Pullach für sein diesjähriges Winterkonzert ausgesucht. Logisch, dass da Mozart auf dem Programm stand. Aber nicht nur er: Auch Mozarts älterer Kollege Haydn kam zu Ehren, obgleich er keinen Gedenktag zu verzeichnen hatte.

Der Abend begann mit der Ouvertüre zur Oper "La clemenza di Tito". Gülpen, der humorvoll und kenntnisreich durch den Abend führte, erläuterte die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Werks, ohne allerdings auf die rekordverdächtig kurze Zeitspanne einzugehen, in der Mozart diese Oper neben der "Zauberflöte" mal eben hatte einschieben müssen. Dann trat die Dirigentin Hildegard Schön auf und gab den Einsatz.

Man merkte gleich, wie gründlich sie ihr Orchester präpariert hatte und wie sicher sie ihre Musiker führte. Das Schumann-Orchester ist ein Laienensemble, musiziert aber auf dem höchsten Niveau, das Amateuren erreichbar sein dürfte. Bei der "Tito"-Ouvertüre wählte die Dirigentin ein eher bedächtiges Tempo. Das Orchester spielte mit gebremstem Schaum, um sein Pulver nicht gleich zu Beginn zu verschießen. Denn die eigentlichen Höhepunkte sollten noch kommen.

Mozarts "Jenamy"-Konzert zählte zweifellos zu diesen Höhepunkten. Gülpen wies auf die Besonderheiten gerade dieses Konzerts hin: das einzige Klavierkonzert, bei dem der Solist nach der Kadenz noch ins musikalische Geschehen eingreift, und das erste mit einem langsamen Satz in Moll. Der Solopart war der Münchner Pianistin Sylvia Dankesreiter anvertraut. Sicher und souverän meisterte sie ihre Aufgabe, brillierte mit perlenden Läufen, verschmähte aber auch das dezent eingesetzte Pedal nicht.

Mit der Dirigentin wusste sich Dankesreiter absolut einig, was Tempo, Dynamik und Phrasierung anbelangte. Aus der tragischen Wucht des langsamen Satzes hätte man mehr machen können, und bei einigen raschen Läufen im Finale stießen die Streicher an ihre Grenzen. Doch dies fiel kaum ins Gewicht angesichts des geradezu symbiotischen Wechselspiels zwischen Soloinstrument und Orchester und des durchdachten, erfüllten Mozart-Spiels.

Nach dem mitreißenden Ende des Klavierkonzerts zeigte Ernst Gülpen Übereifer. Er versuchte, den donnernden Applaus abzuwürgen, um die Pianistin nachträglich vorzustellen und Einzelheiten ihres künstlerischen Werdegangs zu berichten. Die Dirigentin wies ihn aber in die Schranken, denn sonst hätte niemand mehr die Zugabe der Pianistin hören wollen, und das wäre wirklich schade gewesen. Dankesreiter spielte Mozarts "Alla turca" in einer frechen, humoristischen Fassung von Fazıl Say mit Ragtime-Anklängen, mindestens so virtuos und schwungvoll wie das vorangegangene Klavierkonzert.

Nach der Pause gab es die letzte Sinfonie von Joseph Haydn zu hören, entstanden auf dessen zweiter London-Reise. "Haydns sinfonisches Vermächtnis", charakterisierte Gülpen das Werk, und es war auch das sinfonische Vermächtnis des Schumann-Orchesters - zumindest für diesen Abend. Die Musiker wuchsen geradezu über sich hinaus. Schön dirigierte mit klarem, präzisem Schlag und setzte mit der linken Hand deutliche Zeichen für die Interpretation. Da saß jeder Einsatz, jede Temporückung, jede dynamische Nuance punktgenau. Bei den schnellen Sätzen hielt die Dirigentin das Orchester sicher auf Linie und erlaubte kein noch so kleines Nachlassen des Tempos. Im langsamen Satz gelang die Gratwanderung eines Andante, das weder zum gehetzten Allegretto noch zum trägen Adagio ausartete. Das Menuett wartete mit einem fast kammermusikalischen Trio auf, und das Finale, energisch-schwungvoll dirigiert und gespielt, setzte dem Ganzen die Krone auf.

Das begeisterte Publikum versuchte, sich eine Zugabe zu erklatschen. Doch Schön wies auf die geschlossene Partitur und zeigte unmissverständlich an: Das war es für heute - auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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