Pullach:Mit Plateauschuhen auf hohem Niveau

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Spaß am Piano: Marialy Pacheco aus Kuba präsentierte dem Pullacher Publikum eine hervorragende Unterhaltung. (Foto: Claus Schunk)

Die Kubanerin Marialy Pacheco begeistert im Bürgerhaus mit karibischer Erotik am Piano

Von Ulrich Möller-Arnsberg, Pullach

Das erste Konzert in der Jazzreihe des Bürgerhauses begann, als wäre die Bühne das Ende des Laufstegs einer Modenschau. Da kommt eine junge Frau aus dem Hintergrund an die Rampe - dunkler Teint, ein hybrides Kleid aus einer Melange von grünen, orangenen und türkisen Tönen, dazu an den langen Beinen eine schwarze Strumpfhose, die in cremefarbene Plateau-Schuhe mit 15 Zentimeter Absätzen mündet. Marialy Pacheco weiß um ihre optische Wirkung, aber das Verrückte ist: Das ist nur die Nebensache. Die 32-jährige Kubanerin setzt sich wortlos ans Klavier, reibt sich kurz die Hände, um dann sogleich an den Tasten zu zeigen, warum sie vor drei Jahren mit dem Montreux Jazz Award im Fach Solo-Piano ausgezeichnet worden ist.

In Ruben Gonzalez-Manier entlockt sie dem Flügel einen Mambo, mit ungemein perkussiver Akkordtechnik in der linken Hand und brillanten, gesanglichen Motiven in der rechten; was für ein Auftakt. Pacheco hat in fünf Minuten den trüben, nasskalten Oktoberabend in eine bezaubernd sinnliche Sommernacht verwandelt. Spontaner beherzter Beifall folgt sogleich. Und mit lakonischem Lächeln fragt sich ein Besucher: "Keine Ahnung, wie man mit solchen Plateauschuhen so toll Klavier spielen kann." Aber dann geht es schon weiter. Joo Kraus, Gastmusiker auf Pachecos aktueller CD "Introducing", schleicht hinterm Flügel auf leisen Turnschuh-Sohlen mit seiner Trompete herein, lässig mit Jeans und dezent-grauem Oberteil. Von jetzt an geht es im Duo weiter. Eine kubanische Version von Stings "Englishman in New York". Kraus tritt aufs Pedal seines Synthesizers. Die Klänge seiner Trompete verdoppeln sich in Echos, Loops steigen auf wie Nebelschwaden. Auch er, der smarte Musiker aus Ulm, ist genial drauf.

Nun erst kommen die beiden zum Kernrepertoire. "Tres lindas cubanas" heißt der nächste Titel von Pacheco. Kraus agiert einfühlend auf ihr Arrangement im Stil der alten Soneros vom legendären Buena Vista Social Club. Vor ein paar Jahren hat der 49-Jährige eine CD in Havanna aufgenommen, dort, wo auch Ry Cooder 1996 mit den alten Kubanern ins Studio gegangen war. "Yeah", macht Marialy Pacheco zwischendurch, als Joo genau die passende Septe auf ihre Akkorde setzt. Kraus, 2012 mit dem Echo Jazz als Instrumentalist des Jahres ausgezeichnet, hat mit seinem jüngsten Album "Painting Pop" demonstriert, wie sich mit Klangfarben und wenigen Noten effektvolle dramaturgische Momente zaubern lassen. Das zeigt er jetzt auch hier. Einmal schlägt er einfach nur mit der flachen Hand auf das Mundstück der Trompete. Kaskaden von Tönen, Geräuschen und Schnalzlauten hallen wider. Das elektronische Equipment von Kraus liefert das perfekte Gegenspiel zu den klaren, warmen Klängen von Pacheco. Und die hat inzwischen begonnen, zwischen den Stücken höchst amüsant ein paar Worte zu verlieren, immer begleitet von einem Lächeln, das verrät: Sie hat es im Grunde genommen faustdick hinter den Ohren. Von Tokio erzählt sie, wo sie morgens Musiker kennengelernt habe, mit denen sie abends eine CD fertig produziert habe. So schnell ginge das bei den Japanern, sagt Pacheco. In Havanna sei das ganz anders. Erst mal müsse man schauen, ob überhaupt ein Studiotermin frei ist, dann ist plötzlich die Frau, die sich darum kümmert, krank geworden - da dauert alles viel länger.

Sie spielt weiter "Things ain't, what they use to be", taucht das Stück in wundersame Bluesstimmung. Dann folgt "The way you look tonight". "Eigentlich", flapst Pacheco schließlich mit heiterem Tonfall, lebe sie "ganz in der Musik" und wisse oft nicht wo links und rechts ist. Deswegen trage sie am rechten Arm eine Uhr. Joo Kraus beruhigt sie, das sei doch ganz normal bei Frauen. Oh Gott, lieber ganz schnell wieder Musik machen. Kreolischer Wechselrhythmus, Motive, ganz tief aus dem Bauch gekommen, ein Genuss. "Levitando" heißt die Zugabe am Ende dieses einzigartigen Konzertabends. Damit ehrt Pacheco eines ihrer großen Vorbilder, den Pianisten Ramón Valle, von dem die Komposition stammt. Zwei Stunden haben beide den Saal in sinnlich-erotisches Flair getaucht - langer, herzlicher Applaus.

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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