Pullach:Merkwürdige Nachtschicht

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Lisa Gebauer gewinnt Pullacher Jugendliteratur-Wettbewerb

Früher hing in vielen Studentenzimmern eine Postkarte, auf der einem ein kleiner Bub in kurzen Hosen und Bommelmütze entgegenblickte und daneben stand der Spruch: "Du fragst mich, was soll ich tun? Und ich sage: Lebe wild und gefährlich, Artur." Das soll einst Arthur Schnitzler seinem Dichterkollegen Arthur Rimbaud geschrieben haben - und der war in der Tat ein großer Abenteurer und Reisender.

"Into the Wild - durch die Wildnis" lautet die Vorgabe für den Kurzgeschichtenwettbewerb beim diesjährigen Internationalen Jugendliteratur-Festival Pullach. Ein weites Feld: Das Wilde und Gefährliche - es kann so vieles sein, ein Abenteuer im Urwald oder vor der eigenen Haustür. Der im Alltag lauernde Abgrund, erotisches Verhängnis, Rausch, Entgrenzung.

Die Bewerber, die zwischen 14 und 19 Jahre alt sein durften, haben sich denn auch sehr unterschiedlich inspirieren lassen. Kim Resech vom Pullacher Otfried-Preußler-Gymnasium, die den dritten Platz belegte, beschrieb etwa die arrangierte Hochzeit und schmerzhaft-brutale Entjungferung einer jungen Frau im 19. Jahrhundert. Der Titel: In die Wildnis. Der zweitplatzierte Florian Leeb, ebenfalls vom Otfried-Preußler-Gymnasium, wartete mit einer ambitionierten Komposition auf, die einen alten Mann im Zug über mehrere Zeit- und Raumebenen reflektieren lässt - ein Mann, der als Sohn eines NS-Verbrechers seine glücklichste Zeit als Kind im brasilianischen Dschungel hatte, wohin die Familie nach 1945 geflüchtet war.

Am meisten überzeugte die Jury, in der unter anderem die Schweizer Schriftstellerin Alice Gabathuler und der Jugendreferent des Pullacher Gemeinderats, Martin Eibeler, saßen, aber die Geschichte "Sturmnacht" von Lisa Gebauer. In der erlebt die junge Protagonistin während ihrer Nachtschicht am Rastplatz eine Reihe von Absonderlichkeiten, die selbst sie mit ihrer "Immunität gegen Merkwürdigkeiten" in Verwirrung stürzt und an der Realität zweifeln lässt. Es ist eine Zeitreise-Geister-Erzählung, die atmosphärisch dicht und von geradezu filmischer Unmittelbarkeit ist, präzise beobachtet und versiert mit Accessoires des Genres spielend. Als Siegerin des Wettbewerbs, bei dem die vorher gewählten Favoriten zum Abschluss des Festivals lasen, hat Lisa Gebauer unter anderem ein Jugend-Abo für das Bürgerhaus Pullach gewonnen.

© SZ vom 03.04.2017 / sZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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