Pullach:Kontrastreiches Hörkino

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Zwischen technischer Rasanz und fragiler Emotionalität: Akkordeonist Klaus Paier. (Foto: Claus Schunk)

Das Paier-Valcic-Quartett begeistert im Pullacher Bürgerhaus mit seinem aktuellen Programm "Cinema Scenes"

Von Ulrich Möller-Arnsberg, Pullach

Mit einem Pizzicato-Duett von Bass und Cello in tiefer Lage beginnt dieser Jazzabend im Bürgerhaus. Vom Schlagzeug kommen feine mit dem Besenstick gespielte Klänge dazu. Schließlich meldet sich Akkordeonist Klaus Paier mit den höchsten Tönen, die auf seiner Tastatur möglich sind und wirft einige improvisierte Motive in den Raum.

Und schon ist eines der Markenzeichen da, die dieses Quartett aus Wien ausmacht, nämlich extreme farbliche Kontraste am Rande der Zerbrechlichkeit. Das andere ist die pulsende Vitalität, die der behutsamen Eröffnung folgt. Roman Werni, der hinterm Drum-Set sitzt, verkörpert das perfekt. Eben ziselierte er noch den Bandsound mit minimalen Beigaben, jetzt treibt er seine drei Kollegen mit munterem Beat an. Asja Valcic, die vorne an der Bühnenrampe sitzt, wechselt vom intimen Duett mit Bassist Stefan Gfrerrer zum kühnen, markigen Solo. "Synchronisation" heißt dieses Stück von ihr, mit dem der Abend begonnen hat.

Nach einem Jahrzehnt, in dem die Cellistin mit Klaus Paier als Duo erfolgreich unterwegs war und beim Jazz-Label ACT drei CDs veröffentlichte, kam die Zeit, im Quartett weiterzumachen. Was lag näher, erzählt Paier in seiner Moderation beim Konzert, als die alten Triofreunde Werni und Gfrerrer zu fragen, mit denen er seit mehr als 20 Jahren zusammenarbeitet. "Cinema Scenes" heißt die aktuelle CD, die die vier veröffentlicht haben und im gut besuchten Bürgerhaus präsentieren.

Das ist auch, aber nicht einfach nur Filmmusik, vielmehr folgt das Projekt der Idee, ein Hörkino zu liefern, das ganz viele Bilder erzeugt. Paiers Akkordeon klingt nach Straßenmusik, wenn er sich ungeschminkt in Melodien reinsteigert und zu Improvisationen abhebt. Dabei hat er ein technisches Können zur Verfügung, als hätte er mit seinem Instrument einen akademischen Abschluss gemacht. Allein, wenn es um Repetitionen von Tönen geht, wechseln sich die Finger ungemein rasant auf der einen Taste ab, die dabei zu spielen ist. Und Paiers Titel eröffnen sinnliche Welten. Sein Stück "Le Jardin" erzählt von einem wundersamen Garten, "Safran" wiederum bringt östlich klingenden Geschmack in die Kapelle.

Mit "Movimiento" wechseln Paier und seine drei Mitstreiter zuerst zu einer Sambanummer, bevor Swing und Rumba folgen. Erst kurz vor der Pause kommt eine der Filmmelodien dran, die auf "Cinema Scenes" zu finden sind. Es ist "Griet", die Titelmusik, die Oscar-Preisträger Alexandre Desplat 2003 für den Film "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" geschrieben hat. Die Geschichte des holländischen Malers Jan Vermeer, dessen protestantische Ordnung durch das Hausmädchen Griet aus den Fugen gerät, ist genau das Richtige für das Paier-Valcic-Quartett. Hier können die vier Musiker die Emotionen musikdramaturgisch ausleben, die die Geschichte bietet. Erst recht nach der Pause, wenn es um den Clint-Eastwood-Film "Die Brücken am Fluss" geht. Die verheiratete Francesca entdeckt während der Abwesenheit ihres Mannes verborgene Sehnsüchte, die der ungebundene Fotograf Robert bei ihr weckt. Die vierteilige Suite, die Klaus Paier dazu für das Quartett arrangiert hat, explodiert im letzten Satz mit der Wucht eines Tangos. Die Zuhörer im Bürgersaal sind begeistert dabei, die Atmosphäre im Saal knistert vor Spannung. Doch in einem der letzten Stücke, die nach dem Tango folgen, macht es plötzlich "Plopp" und Paier zuckt - sein Instrument stützend - zusammen. Einer der Riemen ist gerissen. Während er Backstage zur Künstler-Garderobe eilt, um für Ersatz zu sorgen, erzählt Asja Valcic eine schöne Geschichte.

Sie habe sich immer gewundert, warum Klaus so viel dabeihabe; neben dem Instrumentenkoffer noch einen extra mit allen möglichen Zusatzdingen. "Für solche Situationen eben", fügt sie hinzu. Da ist der neue Riemen schon montiert und es folgt eine fulminant-rasante Version von Astor Piazzollas "Libertango". Ein großer, bewegender Abend mit viel Beifall und Zugabe, den man nicht so schnell vergisst.

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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