Pullach:Kongeniale Klangkünstler

Lesezeit: 2 min

Dialogisieren auf perfektionsnahem Niveau: Cellist Gautier Capuçon und Pianist Frank Braley. (Foto: Robert Haas)

Die Franzosen Gautier Capuçon und Frank Braley begeistern im Bürgerhaus Pullach mit einem Beethoven-Programm für Violoncello und Klavier. An diesem Donnerstag geben sie dort erneut ein Konzert

Von Udo Watter, Pullach

Er gilt als Vollender der Wiener Klassik und als Wegbereiter der Romantik. Vor allem anderen hat Ludwig van Beethoven die Sinfonie auf eine neue Ebene gehoben und als "titanisches Vorbild" so manch nachgeborenen Tondichter geprägt - wenn nicht gar mit seiner Schaffenskraft eingeschüchtert. Der 1770 in Bonn geborene Komponist hat aber auch für andere musikalische Formen bahnbrechende Maßstäbe gesetzt, etwa für das Klavierkonzert oder das Cello-Konzert. Kurz gesagt: Mit seinen fünf Sonaten für Violoncello und Klavier schuf er eine neue Kammermusik-Formation, die bis dahin fast ohne Beispiel war. Denn von nun an trat erstmals das tiefe, in seiner Klangvielfalt so beeindruckende Streichinstrument als ebenbürtiger Partner des Klaviers in Erscheinung.

Im Bürgerhaus Pullach kann sich das Publikum dieser Tage ein umfassendes Bild davon machen, wie zwei ebenbürtige Musiker dieser Phase in der Geschichte der Gattung nachspüren: Gautier Capuçon, einer der gefragtesten Cellisten weltweit, und sein ebenfalls renommierter französischer Landsmann Frank Braley (Klavier) hatten sich vorgenommen, am linken Isarhochufer alle fünf Cello-Sonaten Beethovens, dazu seine drei Variationen für Violoncello und Klavier zu spielen.

Am Dienstagabend stand der erste Teil des Programms an: Die erste und dritte Sonate sowie Variationen über ein Thema aus Händels "Judas Makkabäus" und zwölf Variationen über "Ein Mädchen oder Weibchen" (aus Mozarts "Zauberflöte"). Gleich das Eingangsstück ist natürlich ein der Jahreszeit angemessener Türöffner für die Ohren. Händels Chorsatz "See the conqu'ring hero comes" aus dem Oratorium über den jüdischen Freiheitskämpfer ist in Deutschland ja vor allem als Adventslied "Tochter Zion" bekannt. Zunächst einmal hat hier das Klavier den Vorrang, es bringt das bekannte Thema ein, aber im Laufe des 1796 komponierten Werks zeigt sich schon die Variationskunst Beethovens, die von den beiden Franzosen kongenial, aber unprätentiös umgesetzt wird. Kontraste werden präzise, aber ohne Härte gespielt, und als schließlich Capuçon das Thema übernimmt, perlen die Klaviertöne als Begleiter besonders verspielt.

Was hier schon beeindruckt und im Laufe des Abends sich immer wieder bestätigen sollte: Capuçon und Braley, beide keine Freunde des Kurzhaarschnitts, sind große Freunde des geschmeidigen Dialogisierens. Klar: Zu gegebenem Zeitpunkt spielen sie ihre individuelle Klasse aus. Capuçon entlockt seinem Cello immer wieder scharfe Töne, schwelgt ab und an in satten, lyrischen Klangfarben und schafft mitunter einen fast gefährlich vibrierenden, warm-dunklen Tiefensound. Braley, dessen Haar mit zunehmender Spielzeit immer mähniger wirkt, avanciert dennoch nicht zum auftrumpfenden Tastenlöwen, sondern überzeugt durch klare Artikulation und die Fähigkeit, dynamische Übergänge hauchschnell zu gestalten. Freilich wirkt vor allem auch das Zusammenspiel der beiden, die auf der Bühne nahe beieinander sitzen und sich hin und wieder mal kurz anblicken, perfektionsnah. Sehr eindrücklich gelingt ihnen vor allem das letzte und wohl tiefste Werk des Abends, die dritte Cello-Sonate in A-Dur. Ob der kantable Solobeginn des Cellos, ob die zackigen Zäsuren oder die dank des synkopischen Charakters mitunter fast lässig-jazzig klingenden Passagen im Scherzo, aber auch das Ausmessen von dramatischen Klanglandschaften im Finalsatz - das kommt stets stimmig und mit Finesse daher. Trotz kleiner Abstriche, die Intonation des Cellos ist nicht immer ganz sauber und Braleys Anschlag könnte ab und an einen Tick weicher sein, ein echtes Hörerlebnis. Die Kunst, ihren Vortrag auch noch von leichter Hand gespielt wirken zu lassen - auch wenn er das Haar hinters Ohr schiebt, ist Capuçon ein eleganter Streicher - und dabei einen diskreten Charme zu wahren, tut ein übriges. Bravo-Rufe und eine furiose Zugabe - Pagangini-Variationen auf einer Saite nach einem Rossini-Thema - runden den Abend ab. Hier war freilich das Cello nicht nur ebenbürtig, sondern dominant.

Den zweiten Teil ihres Beethoven-Programms spielen Capuçon und Braley im Bürgerhaus Pullach an diesem Donnerstag, 1. Dezember. Beginn: 20 Uhr.

© SZ vom 01.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: