Pullach:Jenseits der Gefälligkeit

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Schwerer Theaterstoff, intelligente Klassikprogramme, Travestie-Kunst - die neue Pullacher Spielzeit bietet viel Hochkarätiges

Von Udo Watter, Pullach

Die Ausrede des SS-Obersturmbannführers war so unoriginell wie seine gesamtbiedere Erscheinung: "Ich habe gehorcht!", sagt er zum Schluss des Verhörs durch den israelischen Polizeihauptmann Avner Werner Less: Adolf Eichmann, Befehlsempfänger, Verwalter des Todes, graue Maus und Herrenmensch zugleich. Das Abgründigste an dem in Israel zum Tode verurteiltem NS-Verbrecher Eichmann war vielleicht seine Oberflächlichkeit, diese Nähe von Normalität und Gewissenlosigkeit, das, was die Philosophin Hannah Arendt "Banalität des Bösen" nannte. "Eichmann", ein Schauspiel des Dramatikers Rainer Lewandowski, ist das Eröffnungsstück in der Theaterreihe im Bürgerhaus Pullach für die kommende Spielzeit. In der Hauptrolle ist dort am 23. September Franz Froschauer zu sehen, der auch mitverantwortlich für die Regie zeichnet und 2015 den Bühnenkunstpreis des Landes Oberösterreich für seine Darstellung erhielt. In seiner Dankesrede erwähnte er damals, dass manches Theater in seiner Heimatregion nicht so wild auf das Stück war: "Eichmann . . . des passt ned ins Abo!", habe er öfter als Absage gehört. Das Stück bekam freilich gute Kritiken und wird inzwischen eben auch außerhalb der österreichischen Grenzen, international gebucht.

Hannah Stegmayer, Leiterin des Bürgerhauses Pullach, hat ohnehin ein Faible für schwierige, unkonventionelle Werke. "Theater muss etwas wagen", erklärt sie. Es müsse aufregen, bewegen, und eventuell auch erschüttern, wie bei "Eichmann". Und vom Hauptdarsteller ist sie ohnehin überzeugt: "Er ist ein sehr guter Solodarsteller. Der füllt den ganzen Abend."

Auch die weiteren Theater-Produktionen in Pullach versprechen einiges: Unter anderem zeigt das Neue Globe Theater aus Potsdam, das schon öfter am Isarhochufer gastierte, Shakespeares "König Lear". Und auch Thomas Bernhards scharfzüngige Untergangskomödie "Ritter, Dene, Voss", in dem zwei Schwestern ihren genialischen, psychisch kranken Bruder im gemeinsamen Elternhaus empfangen, dürfte Hirn und Herz herausfordern. Markus Boysen, Imogen Kogge, und Ulli Maier sind die Darsteller in dieser Produktion der Hamburger Kammerspiele. "Da ist nichts geschönt. Das ist gnadenlos", urteilt Stegmayer über das Stück.

Kit Armstrong gilt als einer der vielseitigsten Musiker der sogenannten Klassik-Szene. (Foto: Neda Navaee)

Die Abo-Bestellung ist online möglich über www.pullach.de/buergerhaus oder diesen Freitag noch im Bürgerhaus zwischen 10 und 12 Uhr sowie wieder von 6. bis 16. September. Es gibt vier Abo-Reihen à vier Vorstellungen (Theater/Musiktheater, Kabarett/Kleinkunst, Klassik, Jazz & More) sowie das Jugend-Abo (drei frei wählbare Veranstaltungen für 30 Euro). Für Kabarett/Kleinkunst gibt es nur noch wenige Abos, Klassik und Theater laufen auch gut. Warum diese Genres in Pullach so beliebt sind, zeigt ein Blick auf die Liste der Protagonisten: So wird der klassische Pianist Kit Armstrong im Januar ein Programm mit Chorälen und Choral-Präludien von Bach, Brahms, Liszt oder Reger spielen: Schon früh zeigte sich bei dem heute 24-jährigen US-Amerikaner mit taiwanesischen Wurzeln seine Hochbegabung: Mit neun Monaten begann er zu sprechen, wenig später zu zählen und rechnen, mit fünf Jahren Klavier zu spielen und zu komponieren, mit acht Jahren gab er sein Konzertdebüt. Unter anderem unterrichtet von Alfred Brendel, spielt Armstrong heute in den bekanntesten Konzertsälen der Welt wie Concertgebouw Amsterdam, der Royal Festival Hall London oder der Philharmonie Berlin - und im Januar auch in Pullach. "Ein Jahrhunderttalent", erklärt Stegmayer, "er zeigt uns ein ganz spannendes, intelligentes Programm", Mit dem großartigen französischem Cellisten Gautier Capucon kommt ein Künstler nach Pullach, der das dortige Publikum schon öfter begeistert hat. Er wird bei seinen Beethoven-Programmen vom Pianisten Frank Braley begleitet und das an zwei Abenden (29. November und 1. Dezember).

Nicht zum ersten Mal im Münchner Süden ist auch der Pianist Martin Helmchen, seines Zeichens zweifacher Echo-Klassik-Preisträger. Er wird mit seiner Frau, der gefragten Cellistin Marie-Elisabeth Hecker, am 10. November auftreten. Möglich ist das hochkarätige Musik-Programm auch durch das Sponsoring der Familie des 2014 verstorbenen Verlegers und Kunstsammlers Rolf Becker. "Diese Förderung stärkt unsere Klassik-Reihe", zeigt sich Stegmayer dankbar.

Sven Ratzke gilt als Homme Fatal der Chansonszene. (Foto: Veranstalter)

Für bissig-böse und dramaturgisch versierte Brettlkunst steht der Passauer Kabarett-Altmeister Sigi Zimmerschied, der das Programm "Tendenz steigend - ein Hochwassermonolog" präsentiert. Der Österreicher Werner Brix entfaltet in seinem Programm "Mit Vollgas zum Burnout" auch sein darstellerisches Können, er wurde mit dem Scharfrichterbeil und dem Salzburger Stier ausgezeichnet. Bernd Regenauer bringt eine fränkische Note mit ein, bekannt wurde er unter anderem mit der Radio-Hörspielreihe "Metzgerei Boggnsagg". Spannend dürfte der Auftritt von Sven Ratzke werden: Der Deutsch-Niederländer gilt als Homme Fatal der Chanson- und Kleinkunstszene und präsentiert eine Travestie über Diven. "Er ist großartig" urteilt Stegmayer. Die Reihe "Jazz & More" ist nicht so ein Publikumsrenner wie Kabarett oder Klassik, bietet aber ebenfalls Hochkarätiges, etwa die britische Singer/Songwriterin Julia Biel, deren Stimme von der Kritik gerne als "elektrisierend" bezeichnet wird.

Oder das Shauli Einav Quartet, vier israelische Jazzer, die auch international viel Beachtung finden. Und Younee aus Südkorea wird im Dezember ein jazzig angehauchtes Programm bieten, das den Zuhörer in der Adventszeit berühren will, aber kitsch- und schmelzfrei ist. Diesen Anspruch haben freilich alle Künstler, die Stegmayer engagiert hat, und bei einem Stück wie "Eichman" ist die Gefahr in dieser Hinsicht ohnehin gering. "Den Froschauer kenne ich schon länger", sagt Stegmayer "Der sucht sich immer Sachen aus, die nicht gefällig sind."

Die Abo-Bestellung ist möglich unter www.pullach.de/buergerhaus oder im Pullacher Bürgerhaus von 6. bis 16. September (Telefon 089/744 75 20).

© SZ vom 29.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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