Pullach:Grün, grüner, am grünsten

Lesezeit: 3 min

Susanna Tausendfreund ist eine von drei Bürgermeisterinnen, die die Grünen in Bayern stellen. (Foto: Angelika Bardehle)

Ein Buch porträtiert Susanna Tausendfreund und andere Bürgermeisterinnen

Von Michael Morosow, Pullach

Grün ist schon lange keine exotische Farbe mehr auf dem politischen Parkett. Die 1980 als Die Grünen gegründete Partei steht 40 Jahre danach im Gegenteil voll im Saft und mischt auf Bundes- und Länderebene ebenso mit wie in kommunalen Gemeinderäten und Ausschüssen. Aber eine grüne Bürgermeisterin mitten im schwarzen Bayern - das ist nach wie vor selten. Deren drei haben derzeit in bayerischen Gemeinden das Sagen: Helga Kindsmüller (Obersüßbach), Maria Neudecker (Wurmsham) und Susanna Tausendfreund, die seit 2014 die Geschicke der Gemeinde Pullach leitet und als Ur-Grüne die Entwicklung der Partei hautnah erlebt hat und vieles darüber berichten kann.

Im Sommer dieses Jahres interessierten sich, unabhängig voneinander, zwei Autorinnen für ihre Geschichte: Rike Uhlenkamp vom Mut-Magazin, die unter dem Titel "Die Stadtmacher" sechs Bürgermeisterinnen und Bürgermeister kurz erzählen ließ, wie sie für ihre Städte und Gemeinden kämpfen, und Denise Peikert, die für ihr Buch: "Was sie antreibt - wer sie umtreibt" (Kommunal- und Schulverlag, ISBN: 978-3-8293-1489-3) auf größerer Strecke zehn Rathauschefs porträtierte, so etwa Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Claus Ruhe Madsen, Oberbürgermeister von Rohstock, und eben Susanna Tausendfreund, Rathauschefin in einem 9000-Seelen-Ort. "Grüner wird's wirklich nicht" lautet der Titel des Kapitels über die 57-jährige Pullacherin, insbesondere über die grünen Fußstapfen, die sie bislang hinterlassen hat und weitere Schritte, die sie auf dem Weg zu einer klimaneutralen Gemeinde gehen will.

Natürlich darf die Geschichte über die 1939 zum Geburtstag von Adolf Hitler am Kirchplatz gepflanzte Linde und die Diskussion um die Errichtung einer neuen Rundbank um sie herum nicht fehlen. Bei einer Portion Spaghetti alla Puttanesca beim Italiener berichtete Tausendfreund der Autorin über eine Grundsatzdebatte dazu im Gemeinderat. Ein Holzfachmann und auch Umweltamtschef Bernhard Rückerl favorisierten FSC-zertifiziertesTropenholz, weil langlebiger, davon nur halb so viel gebraucht werde und der CO₂-Fußabdruck gegenüber heimischen Hölzern nicht größer, eher geringer sei. Und auch sie hat sich von diesen Argumenten überzeugen lassen, zumal sie ihrer Überzeugung nach eine grüne Handschrift tragen. "Dennoch: Tropenholz, da konnte der politisch eigentlich gar nicht mal so grüne Gemeinderat seiner grünen Bürgermeisterin einfach nicht folgen und entschied: Einheimisch soll das Holz sein für die Bank an der Linde. Egal, was die Fachleute aus dem grünen Rathaus sagen", schreibt die Autorin und lenkt den Blick auf eine "ganz spezielle Art von Kompliziertheit: "Susanna Tausendfreund ist die erste Grüne, die in Pullach zur Bürgermeisterin gewählt wurde. Aber gerade deshalb und gerade hier passiert es ihr manchmal, dass alle anderen versuchen, noch leidenschaftlicher grün zu sein als die Grüne im Rathaus".

Dass die Gemeine Pullach in Sachen Klimaschutz schon einiges vorangebracht hat, dafür lässt Autorin Peikert den Gründer des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, zu Wort kommen, dessen Auftritt im November 2019 im Pullacher Bürgerhaus sie beigewohnt hatte. Ein großer Mann sei zum Loben ins kleine Pullach gekommen, schreibt sie. Die Gemeinde sei vorbildlich, was die Wärmeversorgung anbelangt. Sie sei sogar sehr nah dran, CO₂-neutral zu heizen, zitiert sie Schellnhuber. Wenn Pullach beim Klimaschutz weiter sei als andere Kommunen, dann habe das freilich auch mit zwei Glücksfällen zu tun, schreibt Denise Peikert: Erstens mit Geld, das reichlich fließe, weil große Unternehmen wie Sixt, Hannover Leasing oder die Linde AG im Ort viel Gewerbesteuer zahlen, und zweitens mit der besonderen Geologie, dem Malmkarst in gut 3000 Metern Tiefe, aus dem die gemeindeeigene Geothermiegesellschaft IEP heißes Wasser schöpft und daraus Strom und Fernwärme generiert. Heute wird rund die Hälfte des Pullacher Wärmebedarfs aus der Geothermie gewonnen, und seit Januar 2019 gehört der Gemeinde auch das Stromnetz.

Ein wenig grüne Geschichte darf Susanna Tausendfreund in dem ihr gewidmeten Kapitel auch erzählen, etwa dass sie 1982 bei den Grünen eingetreten war, zwei Jahre darauf Gemeinderätin wurde und gleichzeitig Kreisrätin, und 1998 als Grüne in den Landtag zog. "Wir Jungen wollten da rein", wird sie zitiert, ein bisschen sei das so gewesen wie bei den jungen Leuten heute, denen von "Fridays for Future". "Wir wollten uns damals auch um unsere Umwelt selbst kümmern. Wir waren die Exoten und vielleicht auch noch so ein bisschen die Schmuddelkinder", erinnert sich Tausendfreund.

Der Bürgermeisterin falle es leicht, grüne Erfolge in ihrer Gemeinde aufzuzählen. Und, das unterscheide sie womöglich von anderen Bürgermeistern, vor allem solchen in kleineren Kommunen: "Sie ist in der Lage, das Erreichte politisch gewinnbringend zu vermarkten", schreibt die Autorin. Als sie Susanna Tausendfreund nach ihrem größten politischen Erfolg gefragt habe, sei der Blick der ansonsten sehr nüchternen Frau weit geworden, und habe etwas Schwärmerisches bekommen. "Vielleicht der Waldkauf - das war ein echter Coup", habe die Bürgermeisterin geantwortet. 55 Hektar Isarhangwald hatte die Gemeinde 2019 von einem Energieversorger gekauft. Nun werde das Stück Natur ökologisch aufgewertet und ein Landschaftspark, der in dem Wald liegt, in das Konzept eingebunden. Und ihr größtes Problem ihrer zweiten Amtszeit? Der Wohnmarkt mit Quadratmeterpreisen von bis zu 20 Euro. "Das Gehalt reicht bei unseren eigenen Leuten, bei Pflegekräften etwa, nicht aus, um sich auf dem freien Wohnungsmarkt bedienen zu können. Menschen, die eigentlich Normalverdiener sind." Als Bürgermeisterin einer reichen Gemeinde, so schreibt Denise Peikert, habe man nicht einfach keine Probleme. "Man hat einfach andere Probleme."

© SZ vom 04.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: