Pullach:Gerade noch die Kurve gekriegt

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Der Gemeinderat diskutiert über zwei Rundbänke aus Tropenholz für die Dorflinde

Von Michael Morosow, Pullach

Die jüngere der beiden Dorflinden auf dem Pullacher Kirchplatz hat braune Wurzeln: Sie ist ein Spross der Nazis, wurde sie doch 1939 zu Adolf Hitlers Geburtstag gepflanzt. Vielleicht fällt es ihr schwer, die historische Last zu tragen, jedenfalls ist sie nicht gerade die Schönste im Land, sondern sieht eher aus, als hätte man sie einmal kurz in einen Tropensturm gehalten. Ob ihrer kümmerlichen Erscheinung passt sie jedoch sehr gut zu der verrosteten, keineswegs zum Sitzen einladenden Rundbank, die sie umgibt, wie auch der Sitzkreis um die ältere Linde, ebenfalls kein Baum fürs Fotoalbum, marode ist.

Nun leistet sich die Gemeinde Pullach zwei neue Rundbänke, was an sich kein großer Akt ist, zumal die von der Verwaltung vorgeschlagenen Varianten "Modell Alena" (26 499 Euro) und "Modell Binga" (28 971 Euro) preislich nicht arg weit auseinander liegen. Und ob das Holz für die Sitzflächen nun von der Eiche kommt, von der Lärche oder der Kiefer, ist ja eh egal, die Fachleute im Rathaus werden schon wissen, was am besten passt - dachten wohl die Mitglieder des Gemeinderates, der am Dienstag zu diesem Thema tagte. Korbinian Buchberger von der Bautechnik und Bernhard Rückerl, Leiter des Umweltamtes, hatten sich tatsächlich intensiv mit der Materialwahl beschäftigt und kamen zu einem Ergebnis, das den ein oder anderen im Gremium beinahe von den Sitzen riss: Tropenholz! Tropenholz in einer Fairtrade-Gemeinde mit einer grünen Bürgermeisterin an der Spitze, die bekanntlich keine Freundin von Tropenholz ist?

Ja, sagte Zimmerermeister Buchberger, der nach eigener Aussage auch "kein Freund von Tropenholz" ist, aber für die vorgeschlagenen Ausführung nur Tropenholz als sinnvoll erachtet. Seine Begründung: Bei der Verwendung heimischer Hölzer wäre die doppelte Menge nötig und würde die Haltbarkeit halbiert. Ja, sagte auch Bernhard Rückerl, der qua seiner Bestimmung als Umweltamtsleiter eigentlich laut Nein schreien müsste und das vor wenigen Wochen wohl auch getan hätte. "Ich musste meine Meinung ändern", erklärte er. FSC-zertifiziertes Tropenholz, so wisse er heute, werde nachhaltig geschlagen, sodass der Wald erhalten bleibe und der CO₂-Fußabdruck gegenüber heimischen Hölzern nicht größer sei.

Mit ihren Argumenten setzten sich die Rathausangestellten aber nicht durch, denn am Ende zählten weniger Preis und Haltbarkeit als die Ideologie und die Furcht vor der öffentlichen Meinung. "Die Argumente Rückerls können noch so gut sein, das glaubt uns kein Mensch", sagte CSU-Fraktionschef Andreas Most und prophezeite: "Morgen lesen wir in der Zeitung: Pullach kauft Tropenholz." Er habe keine Lust auf eine Diskussion über Tropenholz in der Öffentlichkeit. Ins gleiche Horn stieß Cornelia Zechmeister (WIP).

Am Ende stimmten sechs Gemeinderäte für Tropenholz, zwölf für heimische Holzarten - zum Unverständnis von Hannes Burges, für den sachliche Gründe schwerer wogen als ideologische Überlegungen: Zuerst habe man sich von Fachleuten beraten lassen und dann höre keiner auf sie. Dabei könnte man der Öffentlichkeit eine Entscheidung pro Tropenholz durchaus erklären. Die ganze Debatte wäre wohl hinfällig gewesen, wenn der Vorschlag von Angelika Metz (WIP) genügend Unterstützer gefunden hätte: Metz aber plädierte vergebens für den kompletten Verzicht auf Holz, das feucht werde und vermoose, im Gegensatz zu Metallbänken, die wesentlich pflegeleichter seien. Und ideologisch nicht belastet.

© SZ vom 19.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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