Pullach:Einheimische und Flüchtlinge unter einem Dach

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Der Pullacher Gemeinderat will bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen - kommt aber bei der Umsetzung nicht voran

Von Konstantin Kaip, Pullach

Der Pullacher Gemeinderat ist sich einig: Er will mehr bezahlbaren Wohnraum für die Bürger schaffen und die Flüchtlinge dezentral unterbringen, ohne "Ghettoisierung" in einer großen Unterkunft. Beides ist Konsens im Gremium , jedenfalls wenn es um Grundsatzbeschlüsse geht. Bei der konkreten Umsetzung aber fehlt die Einigkeit, wie am Dienstag im Gemeinderat deutlich wurde: Es ging um ein Mehrfamilienhaus, das die SPD-Fraktion errichten will - und zwar für Pullacher und Asylbewerber.

Entstehen soll es auf einem brachliegenden gemeindeeigenen Baugrund mit etwa 5300 Quadratmetern Fläche an der Anton Köck-Straße. Der innovative Antrag, den die SPD bereits im Februar gestellt hatte, brachte nun auch bei Wiedervorlage im Gremium keine Entscheidung. Stattdessen gab es eine lange Debatte im Beisein aufgebrachter Anwohner, die die Gruppierung "Wir in Pullach" (WIP) gegen die dort angeblich geplante "massive Bebauung" mobilisiert hatte.

Selten war der Sitzungssaal im Pullacher Rathaus so voll: Etwa 80 Bürger waren zur Sitzung gekommen, die meisten Anwohner des beschaulichen Wohnviertels. Dort sei eine "massive Nachverdichtung mit sechs bis sieben Mehrfamilienhäusern" geplant, die den "Gartenstadtcharakter der Umgebung" zerstöre, hatte die WIP zuvor per Flugblatt verbreitet und erneut betont, dass das Grundstück mit einem Wert von acht Millionen Euro als Anlage für einen späteren Ankauf des BND-Geländes dienen solle.

Im Gemeinderat stellte sich das Szenario der Baupläne jedoch als Missverständnis heraus: Das Gremium hatte die Abstimmung über den SPD-Antrag im März vertagt. Die Fraktionen sollten darüber beraten und alternative Standorte vorschlagen. Gleichzeitig sollte geprüft werden, welche Möglichkeiten der Bebauung es auf dem Gelände gibt. Das hatte der Architekt und Gemeinderat Wilhelm Wülleitner (Grüne) übernommen. Laut Bebauungsplan sind dort nur Einfamilien- und Doppelhäuser zulässig. Wülleitner hatte auf dem Areal der Gemeinde - vier zusammenhängende Grundstücke zwischen Pater-Rupert-Mayer- und Parkstraße - verschiedene Formen einer Bebauung skizziert. Als bevorzugte Variante seien fünf zweigeschossige Doppelhäuser mit Tiefgarage möglich, erläuterte Wülleitner. Seine Pläne stellten aber lediglich "eine theoretische Entwicklung einer möglichen Bebauung" dar. Es gebe keine konkreten Pläne und "keinerlei Entwürfe für Gebäude". Allerdings sehe er "die Chance für die Gemeinde, analog der vorhandenen Bebauung preiswerten vernünftigen Wohnraum zu schaffen".

Arnulf Mallach (SPD) verlas erneut seinen Antrag vom Februar, "weil bestimmte Versionen existieren, die nicht der Wahrheit entsprechen", wie er es ausdrückte. Darin fordert die SPD ein Mehrfamilienhaus, für das eine Änderung des Bebauungsplans nötig wäre. Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und die Flüchtlinge dezentral unterzubringen, müsse die Gemeinde "die Basis des angebotenen Wohnraumes verbreitern", sagte Mallach. "Sonst geht es zu Lasten einer Personengruppe".

Die SPD habe sich für das Grundstück ausgesprochen, weil dort nur Wohnbebauung in Frage komme. Deshalb könne man das Thema auch schon jetzt außerhalb des Ortsentwicklungsplanes, den die Gemeinde gerade anstößt, betrachten. Ein Anwohner fuhr Mallach später an: "Warum kommen Sie erst mit Bürgern, die hier bleiben wollen, und dann mit Flüchtlingen?" Als er beleidigend wurde, entzog ihm Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) das Wort.

Andreas Most, Fraktionssprecher der CSU, bedankte sich bei Mallach und Wülleitner, dass sie in einer "emotional hochkochenden Diskussion" für "Versachlichung" gesorgt hätten. Das Prinzip "Not in my backyard", das die WIP mit ihrem Vorgehen unterstütze, dürfe in Pullach nicht gelten. Die Frage, wo Flüchtlinge untergebracht werden, sei eine "Gesamtverantwortung und nicht teilbar". Für die WIP schlug Johannes Schuster schließlich vor, noch in diesem Jahr an der Seitnerstraße in Höllriegelskreuth oder an der Hans-Keis-Straße zwischen Kindergarten und Wurzelsepp-straße Container oder vorübergehende Unterkünfte in Holzbauweise für Flüchtlinge zu schaffen. In etwa zwei Jahren könne man bestehende Gebäude, etwa an der Hans-Keis-Straße, zudem aufstocken. Alles Weitere solle man dem Ortsentwicklungsplan überlassen.

Am Ende stimmte die Mehrheit dem Beschlussvorschlag von Bürgermeisterin Tausendfreund zu, den SPD-Antrag erneut zurückzustellen und ein Konzept für den Wohnungsbau zu erarbeiten, das weitere Grundstücke, die Aufstockung vorhandener Gebäude und den zeitlichen Ablauf einbezieht. Zudem soll das Thema in den Ortsentwicklungsplan einfließen. Die SPD stimmte aus Protest dagegen. Holger Ptecek erinnerte daran, dass es bereits einen Grundsatzbeschluss für mehr Wohnraum gebe. "Seitdem gab es einen konkreten Vorschlag. Und jetzt, nach drei Monaten, gibt es wieder einen Grundsatzbeschluss."

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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