Pullach:Comeback der Rentner-Gang

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Sabine Horak, Bartholomäus Sailer, Ursula Köhler, Hansjörg Brändle spielen in der Komödie "Altes Eisen" Senioren, die von einer Kreuzfahrt. (Foto: Claus Schunk)

Die Pullacher Theatergruppe "Pur" führt an diesem Samstag ihre beliebte Krimikomödie "Altes Eisen" auf. Sieben Jahre nach der Premiere hat das Kultstück nichts von seiner Originalität verloren. Und die Darsteller sind sogar noch besser geworden

Von Christina Hertel, Pullach

Auf einem einzelnen weißen Blatt notiert Holger Ptacek mit Bleistift, was ihm nicht gefällt an diesem Abend. Viel wird nicht zusammen kommen. Ein falscher Blick hier, eine fehlende Requisite da. Am Ende wird Ptacek zufrieden sein mit seiner Theatergruppe "Pur". Gerade läuft eine der letzten Proben, bevor die Truppe an diesem Samstag, 2. Juli, mit dem Stück "Altes Eisen" im Pullacher Bürgerhaus auftritt. Die Kriminalkomödie hat die Gruppe vor sieben Jahren selbst geschrieben und damals schon einmal aufgeführt. Dass sie jetzt wieder auf die Bühne kommt, hat einen Grund: Theater Pur wird zehn Jahre alt und "Altes Eisen" ist so etwas wie sein Kultstück. "So oft kam danach jemand auf mich zu und hat mich gefragt, ob wir das nicht noch einmal spielen können", sagt Ptacek. Er ist freiberuflicher Regisseur und Gründer der Theatergruppe, die inzwischen aus 25 Mitgliedern besteht.

Der Saal ist dunkel. Gerade sind noch alle wild herumgewuselt, haben Requisiten gesucht und das Bühnenbild herumgeschoben. Jetzt steht jeder auf seinem Platz, es ist ganz still. Dann geht der Vorhang auf. Weiße Wände, weiße Regale, weiße Tische. Krankenhausatmosphäre. Aber gemütlich soll es wohl auch nicht sein. Gezeigt wird der Speisesaal in einem Altersheim. Die Bewohner, das merkt man schnell, sind alle ganz eigene Charaktere: Da ist der grantige Herr Hergel, der den ganzen Tag im Pyjama herumläuft. Frau Kessler, die immer eine zerknitterte Postkarte dabei hat - die letzte, die sie vor Jahren von ihrem Sohn bekommen hat. Und Frau Riezler, die jeden Tag ein anderes Wehwehchen hat. Alle haben ihr eigene Geschichte, der eine ist belesen, die andere hat ihr Leben lang bloß als Putzfrau gearbeitet. Im Altersheim aber haben sie alle mit den gleichen Sorgen zu kämpfen: Sie haben ihr selbstbestimmtes Leben verloren, sie müssen aufstehen, sich waschen, wann es ihnen andere sagen, und vor allem müssen sie essen, was andere ihnen vorsetzen. "Ich habe es so satt eingesperrt zu sein, als wäre das Alter eine Sünde", sagt Frau von Hornbach, eine alte Opernsängerin mit Hut und Perlenkette einmal und spricht damit aus, was alle denken: Am liebsten so schnell wie möglich weg hier. Dazu aber fehlt allen das nötige Kleingeld. Und so wird aus dem Traum von einem guten Tiramisu und Cocktails auf einem Kreuzfahrtschiff ein kühner Plan: Ein Einbruch bei den reichen Kindern eines kürzlich verstorbenen Mitbewohners, die sich nie um ihn kümmerten und noch am Tag seiner Beerdigung in die Karibik verreisten.

Die Komödie hat die Gruppe eher aus der Not heraus geschrieben. Denn für ihre Zusammensetzung gab es gar kein geeignetes Stück. Die meisten Mitglieder sind Frauen, viele von ihnen schon älter. "Theater ist chauvinistisch", sagt Ptacek. Die meisten Rollen seien männlich, gute erst recht. "Also haben wir überlegt, wo im echten Leben so viele ältere Frauen zusammenkommen würden. Da fiel uns schnell Altenheim ein."

Einige Schauspieler waren schon bei der Uraufführung dabei - so wie Ingeborg Kirchhoff. "Es ist trotzdem ganz anders, weil die Leute ganz anders sind", sagt sie. Hansjörg Brändle, auch schon von Anfang an dabei, ist sich sicher, dass die Gruppe im Laufe der Jahre besser geworden ist. "Wir sind authentischer, haben mehr Präsenz." Er verkörpert Herrn Wismar, der mit Hinkebein und Armbinde ein bisschen schrullig daher kommt, aber auch ganz schön was auf dem Kasten hat. "Ich überlege mir immer ganz genau, welche Lebensgeschichte die Figur gehabt haben könnte", erzählt er. Mimik übe Zuhause selten. "Aber das Hinken zum Beispiel habe ich meiner Katze vorgeführt."

Man merkt, dass sich alle bei ihren Rollen viel gedacht haben. Melanie Piontek, die die gemütliche Krankenschwester Frau Weinhardt spielt, hat sich von einem Arbeitskollegen extra pfälzischen Dialekt beibringen lassen. Dadurch wirkt die Pflegerin, die sich bei jeder Gelegenheit ins Schwesternzimmer setzt, Kaffee trinkt und Kreuzworträtsel löst, noch ein bisschen gemütlicher. Bartholomäus Sailer geht sogar manchmal zu einem Schauspiellehrer und lässt sich von ihm Tipps geben. "Ich bin Waage, harmoniesüchtig. Böse Rollen sind schwer für mich", sagt er. Doch das ist kaum zu glauben, wenn er auf der Bühne steht. Als Herr Hergel gibt er einen zynischen, grantigen Besserwisser, der aber im Grunde seines Herzens ein anständiger Kerl ist.

Ptacek wirkt zufrieden. Nur manchmal guckt er ein bisschen nachdenklich und kaut auf seinem Bleistift herum. Oft kichert er mit, obwohl er das Stück quasi auswendig kennt. Seit er 18 ist, leitet er Theatergruppen. Ein Leben ohne Bühne, Scheinwerfer, Publikum, Proben - für ihn nicht mehr vorstellbar. Und so geht es auch seinen Schauspielern. Bartholomäus Sailer sagt: "Für mich ist das Theater inzwischen wie ein zweiter Beruf."

"Altes Eisen" wird am Samstag, 2. Juli, um 18 Uhr im Rahmen von Feierlichkeiten zum 20-jährigen Bestehen des Pullacher Bürgerhauses aufgeführt. Unter dem Titel "Kulturtage Pullach" wird noch am Samstag, 2. Juli, und am Sonntag, 3. Juli ein Querschnitt des lokalen Kulturleben präsentiert, unter anderem stellt sich die Zauberschule Pullach vor. Am Sonntag gibt es einen Jazz-Frühschoppen. Weitere Informationen unter www.pullach.de.

© SZ vom 02.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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