Ottobrunn:Von Unschuld und Dankbarkeit

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Große Klangwucht: Der Ars-Musica-Chor mit Orchester bei einem Konzert in Ottobrunn. (Foto: Claus Schunk)

Der Ars Musica Chor Ottobrunn feiert sein 40-jähriges Bestehen mit festlichem Konzert

Von Julian Carlos Betz, Ottobrunn

Bein an Bein sitzen die Musiker des Verbundensembles aus dem Kammerorchester Stringendo und dem Airbus Orchester auf der Bühne und bereiten sich für den Einstieg in Beethovens Chorfantasie op. 80 vor, die gerne auch mal als die kleine Neunte bezeichnet wird. Im Hintergrund stehen die Chorsänger von Ars Musica Ottobrunn und der Chorgemeinschaft St. Pius in Pöcking. Dazwischen die vier Solostimmen. Es ist viel los im Ottobrunner Wolf-Ferrari-Haus, bereits vor Beginn der Veranstaltung herrscht so etwas wie freudige Anspannung, manche Gäste wieder stehen noch an der Abendkasse an, um sich Karten zu sichern.

Bereits 1978 wurde der traditionsreiche Chor gegründet und hat sich seitdem wie ein "lebendiger und wachsender Organismus" verändert und weiterentwickelt, wie Norbert Groh, der seit nunmehr 18 Jahren dem Chor als künstlerischer Leiter vorsteht, berichtet. Schon damals, zu Beginn der Auftritte, habe man vor vollen Sälen gespielt und einiges an Begeisterung auslösen können. Jetzt, 40 Jahre später, gelten die umsichtig einstudierten Stücke immer noch als musikalische Höhepunkte in der kulturellen Vielfalt des Landkreises. Das kann auch Bürgermeister Thomas Loderer bestätigen, der Groh als "musikalischen Botschafter Ottobrunns" bezeichnet und von seinen eigenen Erfahrungen beim Singen im Chor schwärmt: dort könne man einfach mal vergessen, was einen umtreibt und belastet. Ein offener Aufruf, sich selbst auch einmal musikalisch zu engagieren.

Das Programm an diesem Abend überzeugt jedenfalls nicht nur Hobbymusiker und Professionelle, sondern auch den Laien. Bereits nach der Darbietung von Beethovens Fantasie für Klavier, Chor und Orchester in C-Moll sind die Gemüter im Publikum erwärmt von so viel Dynamik und Einfühlungsvermögen. Der junge Pianist Emanuel Roch streichelt die Tasten geradezu, verteilt Buketts aus frei auffliegenden Läufen im wechselseitigen Dialog mit dem segmentweise einsetzenden Orchester und gibt selbstbewusst das Tempo vor. Im harmonischen und maßvollen Tutti kann das Orchester imponieren, Roch glänzt im Stakkato und das Publikum belohnt den ersten Teil des Abends schließlich mit Bravo-Rufen und viel Applaus.

Im Anschluss entführt Musik von Leonard Bernstein den Zuhörer mit seinen Chichester Psalms aus dem Jahr 1965 in seine persönliche Auseinandersetzung mit der jüdischen Identität. Hebräische Gesänge, Schellenklänge und gestopfte Trompeten evozieren eine vorchristliche Atmosphäre und die stetige Wiederholung von "Adonai" in den Versen, also Gott, lässt gerade in den Passagen des Knabengesangs eine zarte Stimmung demütiger Hingabe entstehen. Das für den Konflikt mit dem eigenen Glauben, der in der jüdischen Geschichte eng mit der Frage der Identität verbunden ist, bezeichnende Schwanken zwischen unschuldiger Offenheit und reflektierender Distanz zeichnet sich auch in dem musikalischen Wechselspiel zwischen religiösem Gesang und interferierenden Paukenschlägen und dissonanten Einschüben ab. Im Rückblick auf Haydns "Schöpfung", das Werk wurde erst im Juni von Ars Musica gemeinsam mit Stringendo aufgeführt, spannt sich so ein weiter Bogen: Der Zustand vor und nach der biblischen Schöpfung zugleich findet seine adäquate Darstellung im liturgischen, beinahe ahistorischen Gewand der jüdischen Bewusstseinsmetapher von Leonard Bernsteins Psalmenwerk.

Zuletzt punktet das Orchesterensemble noch einmal mit einem großen Klassiker, der die pathetische Großlage romantischer Komponisten ungeschminkt wiederholt: Bruckners "Te Deum", das sich in melodischen Anklängen an seine siebte Sinfonie zeigt, steigert die in Bernsteins Komposition angelegte Demut zur tatsächlich liturgischen Zeremonie, in der bewegte Innerlichkeit auf gemessene Form in dynamischer Akzentuierung trifft.

Der Chor singt in konziser Linie, die Solostimmen können durch Volumen und Klarheit überzeugen, während Groh noch einmal die einzelnen Register des Orchesters sauber nebeneinanderstellt und in einem würdigen Finale zu Ende führt. Ein Abend mit wuchtigem Abgang, der dem Ensemble auch nach 40 Jahren noch einiges an Lebenszeit und erfolgreicher Bühnenauftritte verspricht.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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