Ottobrunn:Tauchgang in die Tiefe der Bilder

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Die magisch-realistischen Werke von Quint Buchholz laden den Betrachter zum Träumen und Verweilen ein. Der international renommierte Künstler stellt derzeit in seiner Heimatgemeinde Ottobrunn aus

Von Udo Watter, Ottobrunn

Ein Boot ankert im Himmel. Mit einem Seil am zweiten Stockwerk eines Hauses befestigt, schwebt es in der Dämmerung, irgendwo an und über der melancholischen Küste Frankreichs. Die Fenster in dem Haus, an dem das Schild "Ciel" (Himmel) befestigt ist, sind illuminiert, vielleicht liest dort in einem Zimmer ein Kind ein Buch, träumt sich hinweg über die Wellen in ferne Räume und Zeiten. "Fenster bei Nacht" heißt dieses Bild von Quint Buchholz und in seiner so sanft wie selbstverständlich anmutenden Kombination aus Wirklichkeit und Magie, in seiner Wirkung, Geschichten im Kopf des Betrachters zu inspirieren, ist es ein schönes Exempel für das Schaffen des in Ottobrunn lebenden Künstlers.

Quint Buchholz lässt sich inspirieren vom Spielerischen, das aus innerer Notwendigkeit kommt. (Foto: Claus Schunk)

"Ich male gerne Dinge genau und schön", sagt Quint Buchholz bei der Eröffnung seiner Ausstellung "Ein langsames Spiel" in der Galerie "Treffpunkt Kunst", des Kunstvereins Ottobrunn. Die Schönheit, die sich in den zwischen fotorealistischen und leicht surrealistischen Darstellungen poetischer Momente entfaltet, ist freilich eine, die definitiv nicht unter Kitschverdacht gerät. Buchholz' Blick ist liebevoll, aber nicht harmlos, er ist hintergründig-humorvoll und er hat ein Faible für die Magie des Merkwürdigen, die Nähe der Träume. Immer wieder durchweben Nuancen von Melancholie seine oft in diversen Grau- oder Blautönen gehaltenen Bilder. Das Meer, Horizonte, Wolkenformationen im Dämmerlicht, Schneetreiben oder aufsteigender Nebel schaffen eine Atmosphäre in der Schwebe. "In meinen Bildern versuche ich den Bezug zur Welt zu finden und auszudrücken", erklärt der 57-Jährige. Als Kind habe er kein großes Talent zum Malen gehabt. Ob man ihm das nun glaubt oder nicht, die Geschichten und Bilder in seinem Kopf - und in seiner Familie wurde viel erzählt und viel gezeichnet - mussten bei ihm schon früh raus. In Anlehnung an einen Satz von C. G. Jung spricht er vom "Spieltrieb aus innerer Notwendigkeit", der für seine Art der künstlerischen Entfaltung stehe. Und ganz wichtig: "Ich lasse mir Zeit. Ich lasse mich nicht scheuchen vom Drang zur Optimierung." Der Ausstellungstitel erklärt sich somit und einem kommt Schillers berühmter Satz "Der Mensch ist nur ganz Mensch, wo er spielt" in den Sinn. Im fertigen Werk soll sich das Leichte entfalten, die Mühsal, den Zeitaufwand, der hinter manchem Schaffensprozess steckt, solle nicht zu sehen sein. Ob nun als Künstler oder eben als Betrachter - in der Konfrontation mit den Bildern von Quint Buchholz schwebt man spielerisch über der Hektik des Zeitgeistes. Wer mit dem richtigen Tempo in zauberische Bilder wie "Erde und Taube" oder "Die große Langsamkeit" eintaucht, der unternimmt gleichsam eine poetische Weltflucht in Räume der Stille und fast automatisch öffnen sich Pforten zu Geschichten. Schade nur, dass einige motivisch besonders schöne Bilder (als Pigmentdrucke auf Bütten) im Souterrains der Galerie arg dicht an dicht hängen - das nimmt doch etwas von ihrem Zauber.

Das Buch als beliebtes Sujet des Künstlers: Hier die Seiten als Stufenpyramide. (Foto: Claus Schunk)

Passend und prominent platziert hingegen der großformatige Hingucker "Zimmer am Meer" über dem Treppengang: die Perspektive, das Licht, die Blaunuancen, der offene Zugang in der Wand zum Meer schaffen hier eine Atmosphäre, die in ihrer unaufdringlichen Magie weit jenseits trivialer Urlaubssehnsucht ist. Etliche neuere Bilder (Acryl auf Leinwand) hängen im Eingangsbereich der Galerie, die bei der Ausstellungseröffnung proppenvoll war. Besonders schön ein Werk mit Gorillas in der Dämmerung einer europäisch anmutender Landschaft und vor weitem dämmrigen Horizont, das eigenartige Geborgenheit und Harmonie entfaltet. Überhaupt spielen Tiere als Protagonisten der Bilder oft eine Rolle bei Buchholz - eines seiner schönsten Bücher der vergangenen Jahre heißt "Quints Tierleben" und in der Ausstellung sind neben Gorillas auch Hasen, Löwen, Vögel oder Schnecken in märchenhaft-merkwürdiger Aktion zu sehen. Überdies kommt das Sujet "Buch" in immer neuen Variationen vor. Etwa, wenn in einem Bild ein dicker Mann vor einen dünnen, hohen Buch steht und man genau weiß: der kommt da nicht durch. Bücher als Fernglas, als Aussichtsturm, als Pyramide und immer wieder als Pforte/Tür zu einer anderen Welt sind als Leitmotiv angemessen oft präsentiert in Ottobrunn. Buchholz, der seinen künstlerischen Erfolg auch seiner Hartnäckigkeit und einer "kleinen Portion Größenwahn" zuschreibt, hat einen charakteristischen Stil, der gewisse Motive und Ideen immer wieder variiert.

In Ottobrunn sind freilich auch Landschaftsbilder vom Chiemsee und Sankt-Lorenz-Strom zu sehen, die ein bisschen aus der Reihe tanzen. Das Paar in dem Bild "Dancing on a river" ist weniger magisch als zärtlich realistisch gezeichnet und fasst wohl jeden halbwegs romantisch veranlagten Menschen an. Und so lädt diese Ausstellung ein, mit den Augen in vielen schönen Bildern zu verweilen und damit den Augenblick zum Verweilen zu bringen.

Die Ausstellung dauert bis zum 4. Juli, die Galerie "Treffpunkt Kunst" ist geöffnet mittwochs bis freitags von 15 bis 18 Uhr, samstags 10 bis 13 Uhr.

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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