Ottobrunn:Schlimmer schöner Sommer

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Die in Ottobrunn lebende Autorin Stefanie Gregg. (Foto: Angelika Bardehle)

Stefanie Gregg präsentiert ihre neue Roadnovel, die nur teils gelungen ist

Von Udo Watter, Ottobrunn

Männerfaustgroß. Nicht Tennisballgroß, nicht taubeneigroß, und schon lange nicht mehr kirschkerngroß: Nein, im Körper der Protagonistin ist ein echter Kaventsmann von Tumor herangewachsen: "Männerfaustgroß".

Nun, wie man ohne Umschweife literarische Wirkungstreffer erzielt, weiß Stefanie Gregg. Die in Ottobrunn lebende Autorin, die gerne auch Kurzgeschichten romantischer oder kriminell-mörderischer Natur schreibt, ist geübt darin, das Kopfkino des Rezipienten mit schnellen, knackigen Gedanken und Szenen anzukurbeln: Ein konziser, dramatisch aufwühlender Einstieg in einen Roman ist zwar noch nicht die halbe Miete, aber immerhin ein packender Aufgalopp. "Mein schlimmster schönster Sommer", so heißt das neue Buch von Stefanie Gregg - eine "skurrile, witzige und zugleich nachdenklich machende Roadnovel", wie es der Aufbau-Verlag anpreist. Ende Februar hat er das Werk mit einer Startauflage von 20 000 auf die Reise geschickt. Für Gregg, deren vorausgegangener Roman "Duft nach Weiß" unter anderem den berühmten "Regenschirmmord" an einem bulgarischen Dissidenten in London thematisiert, eine schöne Karriereentwicklung: "Das freut mich unglaublich." Sie wird ihn an kommendem Mittwoch, 29. März, in der Ottobrunner Gemeindebibliothek vorstellen.

Die Handlung in "Mein schlimmster schönster Sommer" nimmt flott Fahrt auf. Als die Romanheldin Isabel aus dem Krankenhaus entlassen wird, weiß sie, dass nichts mehr ist, wie es war. Wie es weitergeht mit ihrem Tumor, wird sie erst in zwei Wochen erfahren. Wie diese qualvolle Wartezeit verbringen? Urlaub machen? Im Bett liegen? Wellness machen? Die erfolgreiche und sonst so rationale Unternehmensberaterin entscheidet sich spontan, einen VW-Bus zu kaufen und fährt einfach los. Zusammen mit dem Vorbesitzer des Wagens, einem Hippie und Musiker namens Rasso. Eigentlich will sie in die Provence, aber es kommt alles anders. Eine Reise beginnt, bei der sie Menschen aus anderen Milieus trifft, Menschen, denen sie sonst nie begegnet wäre. Ihr altes Leben lässt sie zurück, auch ihren Freund, mit dem sie bis dato eine dekorative, aber wenig tiefe Beziehung führte, und sie wirft sich zunehmend lustvoll in neue Freiheiten, erlebt ein anderes Zeit- und Raumgefühl. Konventionen, Ängste und Pflichten werden zu Marginalien. Und - man ahnt es - sie entdeckt auch die Liebe neu.

Es ist eine Geschichte, bei der es also von Beginn an essenziell ans Eingemachte geht: Los lassen, den Tod vor Augen, über die Schwelle treten, Intensität gewinnen. Gregg spart beim Plot nicht mit skurrilen Ereignissen, merkwürdigen Zufällen und komischen Begebenheiten. Die Protagonisten werden unfreiwillig in einen Banküberfall hineingezogen, begegnen auf ihrer konfusen und anfangs marihuana-umwölkten Fahrt quer durch Bayern Gurus, nackten Yogis oder einer aggressiven Gans. Irgendwann öffnet noch ein hungriger Tramper, der zufällig Oberammergauer Jesus-Darsteller ist, die klemmende Urne mit der Asche von Rassos Mutter, die sich fröhlich staubend im Bus verteilt.

Ein Buch also, das nicht zuletzt auf die tragikomischen Momente baut, aber auch Tiefe beansprucht: Der Schatten einer fatalen Krankheit einerseits, sowie die Freiheitserlebnisse on the road andererseits sollen eine bittersüße, traurig-hoffnungsvolle Komposition bilden. Allerdings wird Gregg ihren Ambitionen nicht wirklich gerecht. Das Buch hat seine Momente, aber generell entsteht doch nur partiell eine Atmosphäre, die einen emotional mitnimmt auf die Reise über die Straßen oder in die Gefühlswelten der Figuren, die letztlich etwas blass bleiben. Die Dialoge wirken oft wenig wirklichkeitsnah - sagt ein junger Hippie heute noch "Ich habe Riesenkohldampf"? und die Handlung sowie Bilder sind nicht frei von Klischees. Von den hängebrüstigen Nudisten in der Burgruine über den urigen bayerischen Kauz in der Lederhose bis zum Guru "Ghandi", der mit Bibelzitaten um sich wirft, oder "sanft vor sich hin kauenden Kühen" vor schroffer Bergkulisse und "türkischen Klängen, die aus den Bars von Kreuzberg" wehen.

Es wirkt mitunter so, als hätte die Autorin der verführerischen Option nicht widerstehen können, allerlei Wunschträume von romantisch-abgefahrenen Abenteuerreisen und lustigen Bausteine des Genres Roadnovel mit einzubauen. Das romantische Finale der Reise ist bewegend, aber auch vorhersehbar. Der Epilog ist wiederum einfallsreich, überhaupt ist das Buch nicht schlecht zu lesen und durchaus unterhaltsam. Einige Passagen sind fesselnd, etwa wenn die klaustrophobisch veranlagte Isabel in der Klinik in ein enges MRT-Gerät muss. Von schönem Aberwitz auch die Stelle, an der Isabel kritisch reflektiert, warum Menschen manchen Körperteilen nette Namen geben, etwa "Bimm und Bamm" für die "beiden weiblichen Ausformungen", "Gummibärchen" für ein im Bauch heranwachsendes Kind oder "Moppelchen" für einen männerfaustgroßen Tumor. Große Literatur ist der Roman indes nicht.

Die Premierenlesung ist am Mittwoch, 29. März, in der Ottobrunner Bibliothek, Beginn 19.30 Uhr.

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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