Ottobrunn:Ruhet nebeneinander

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Eine muslimische Begräbnisstätte für Ottobrunn: Bürgermeister Thomas Loderer schafft Fakten.

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Ein Satz, so beiläufig, wie die Ankündigung der nächsten Sitzungstermine des Gemeinderates. Und doch ein Satz von ungeheuer Kraft und ebenso großem Gehalt. "Ich werde mich dafür einsetzen, dass es auf unserem Friedhof eine muslimische Begräbnisstätte geben wird", sagte Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) unlängst auf dem Neujahrsempfang seiner Partei im Wolf-Ferrari-Haus.

Der Satz kommt eher en passant daher. Und ist doch eingebettet in einen Teil von Loderers Rede, der zu diesem Zeitpunkt gewissermaßen Baustein einer jeden Ansprache von Politikern auf Neujahrsempfängen ist. Es geht dabei um die Rolle der Muslime in diesem Land, um das Miteinander der Religionen - aber vor allem der Menschen. Doch Thomas Loderer wird in seinem Vortrag konkreter als die meisten seiner Amtskollegen und Parteifreunde. Er spricht die Bürger in seiner Gemeinde direkt an; er wendet sich vor allem an die etwa eintausend - das ist eine Schätzung des Bürgermeisters - muslimischen Bürger in Ottobrunn. Er will ihnen - und das ist der Moment, indem der Satz seine große Kraft gewinnt - mit einem gleichermaßen mutigen und doch selbstverständlichen Schritt das Gefühl geben, hier wirklich zu Hause zu sein. Vielmehr noch, er will auch den nicht-muslimischen Bürgern vermitteln, dass die Muslime unmissverständlich zu der Gemeinde Ottobrunn gehören. Dass sie alle zusammen gehören.

Auch Husein Durmic und Mirsad Niksiv betonen dies immer wieder, ganz unaufgeregt und sachlich - dass die Muslime in Ottobrunn zu Hause sind. Sich hier daheim fühlen. Um dies zu unterstreichen und dieses Gefühl sogar noch zu intensivieren, haben sie den Deutsch-islamischen Kulturkreis Ottobrunn, kurz Diko, ins Leben gerufen. Ein Verein, der sich mit ganz einfachen Mitteln für das Miteinander der Menschen einsetzt. Mit vielen Gesprächen, regelmäßigen Treffen, Dialog mit der Kommunalpolitik und Feierlichkeiten. Der Diko wurde nun auch gehört, als es darum ging, eine muslimische Begräbnisstätte auf den Weg zu bringen. Und die führenden Mitglieder Durmic und Niksic signalisierten selbstverständlich ihre Bereitschaft und Unterstützung.

Die flächenmäßig kleinste und an den Einwohnern gemessen zweitgrößte aller 29 Kommunen im Landkreis München soll also die erste sein, die auf ihrem Friedhof, dem Parkfriedhof am Haidgraben, einen eigenen Bereich für eine islamische Begräbnisstätte ausweisen wird. Rathauschef Loderer hat keine Zweifel daran, dass der Gemeinderat seine Idee letztlich auch billigen wird. Im März will er in der Sitzung des Gremiums seine Vorstellungen den Mitgliedern der Fraktionen präsentieren; bereits im November, sagt Loderer, könnten dann erstmals Bestattungen nach islamischen Ritus auf einem Areal im nordwestlichen Teil des Parkfriedhofs stattfinden. Wenn alles ganz schnell geht.

Ein straffer Zeitplan. Der dann nicht mehr ganz so ambitioniert klingt, wenn der Bürgermeister von seinen bisherigen Bemühungen erzählt. Der Parkfriedhof ist groß, es gibt auf dem riesigen Areal noch viele Freiflächen. Loderer hat bereits eine dieser Flächen ins Auge gefasst: Ein paar Meter hinter der Aussegnungshalle auf der rechten Seite gibt es ein Areal, das sich eignen würde, sagt der Rathauschef. Er habe auch schon mit einer Landschaftsarchitektin, die auf die Gestaltung von Friedhöfen spezialisiert sei, Kontakt aufgenommen; sie selbst habe bereits Pläne in der Rohfassung angefertigt. Allein: Präsentieren kann und will Loderer diese noch nicht. Erst müssen die Mitglieder des Gemeinderates en détail über das bisher Ausgearbeitete informiert werden.

Klar umrissen sind bisher nur wenige Punkte, denn muslimische Begräbnisse und muslimische Friedhöfe haben ihre eigenen Riten. Der wohl bekannteste ist die Ausrichtung der Grabfelder gen Mekka; ein Punkt, der auch in Ottobrunn keinerlei Probleme machen wird. Eine weitere Frage indes wird den Verantwortlichen Kopfzerbrechen bereiten. Denn in Bayern besteht weiterhin im Rahmen des sogenannten Friedhofzwangs auch eine Sargpflicht - anders etwa als in Nordrhein-Westfalen, im Saarland oder in Baden-Württemberg. Dort können Muslime in manchen Kommunen bereits - gemäß ihrer eigenen Bestattungsriten - nur mit einem Leintuch verhüllt begraben werden. Innerhalb eines Tages, denn auch das ist den Muslimen vorgegeben. "Die Sargpflicht ist letztlich eine Vorgabe des Freistaates", sagt Bürgermeister Thomas Loderer. "Aber in vielen Bundesländern ist hier schon einiges in Bewegung gekommen. Womöglich auch bald bei uns." Solange die Sargpflicht bestehe, werde selbstredend auch Ottobrunn daran festhalten.

In der Gemeinde aber hat sich in den vergangenen Jahren auf dem Parkfriedhof ohnehin viel getan. Seit neuestem erlaubt Ottobrunn sogenannte QR-Codes auf den Grabmalen. QR steht für den englischen Ausdruck Quick Response - also: schnelle Antwort. Die Codes werden mit dem Smartphone eingelesen und verlinken etwa auf Homepages der Verstorbenen mit Lebensläufen und Fotos. Individueller soll der Friedhof in seiner Gestaltung werden. Und das kommt auch den Muslimen entgegen. "Unsere Gräber unterscheiden sich. Manchmal sind sie nicht ganz so gepflegt, aber immer etwas individueller", sagt ein Mitarbeiter im Islamischen Zentrum München. "Das soll auch in Ottobrunn so sein."

Aber als Teil des bestehenden Parkfriedhofs. Anders als im ältesten islamischen Friedhof, dem seit 1866 bestehenden Türkischen Friedhof in Berlin Neukölln, der nur an den Friedhof Columbiadamm angrenzt. Vielmehr wünscht sich auch Thomas Loderer, dass das Grabfeld Teil des Bestehenden wird - wie etwa auf dem Neuen Südfriedhof oder dem Westfriedhof in der Landeshauptstadt. Der Waldfriedhof war indes der erste Münchner Friedhof, der in den 1950er Jahren muslimische Beerdigungen gestattete.

Die Zahl der Grabfelder in München und der Region wird in den kommenden Jahren weiter steigen, ist sich Thomas Loderer sicher: "Das wird zu unserer Realität gehören." Er selbst hat diese womöglich mit einem Satz verändert.

© SZ vom 18.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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