Ottobrunn:"Leid und Lachen liegen eng beieinander"

Lesezeit: 3 Min.

Martina Neldel arbeitet nach ihrem Studium in Pflegemanagement als Palliativfachkraft und Koordinatorin beim Hospizkreis Ottobrunn. An ihrem Wohnort Holzkirchen sitzt sie für die Grünen im Gemeinderat. (Foto: oh)

Palliativpflegerin Martina Neldel weiß aus ihrer Arbeit mit Sterbenden, dass es auch fröhliche Momente gibt. Beim Erzählcafé am Welthospiztag in Ottobrunn soll es daher ebenfalls um solche Geschichten gehen

Interview von Angela Boschert, Ottobrunn

"Wir sind für sie da, für die Menschen, die uns kontaktieren", sagt Martina Neldel, die von Herzen Palliative-Care-Fachkraft ist. Beim Hospizkreis Ottobrunn arbeitet die Holzkirchnerin als Hospizkoordinatorin. Zum Ende der bayerischen Hospiz- und Palliativwoche lädt sie für Samstag, dem Welthospiztag, zu einem "Erzählcafé" ein.

SZ: Was darf man sich unter einem Erzählcafé vorstellen?

Martina Neldel: Im Erzählcafé wollen wir fern von der täglichen Büroarbeit über unsere Arbeit informieren und darstellen, dass das Thema Tod ein alltägliches ist. Wir hoffen, dass viele Bürger kommen und ihre Geschichten mitbringen.

Das gilt in jedem Fall für Ihre Arbeit als Palliative-Care-Fachkraft. Was sind Ihre Aufgaben?

Grundsätzlich bin ich ausgebildet, um schwerst kranken und sterbenden Menschen in der letzten Lebensphase eine bestmögliche Versorgung und Begleitung zu ermöglichen. Auch ihren Zugehörigen. Ehrenamtliche Hospizbegleiter und Koordinatorinnen sowie ein Netzwerk von Versorgern und Dienstleistern arbeiten eng zusammen, um die Lebensqualität für die Betroffenen zu verbessern sowie ihre Nöte und Leiden zu lindern.

Wie sieht das konkret aus?

Wir Koordinatorinnen berücksichtigen die körperlichen, seelischen, sozialen und spirituellen Bedürfnisse der zu Begleitenden und schauen, was er oder sie genau jetzt braucht und wünscht. Uns geht es darum, dass wirklich jeder Mensch, unabhängig von seiner Herkunft, Religion, Hautfarbe, oder Stellung, das Ende in Würde und Selbstbestimmung begehen kann. Er soll selbst bestimmen, was er benötigt. Wohlgemerkt: Hospizbegleiter übernehmen keine pflegerischen Aufgaben. Das dürfte nicht einmal ich, obwohl ich examinierte Krankenschwester bin. Wir vermitteln aber solche Unterstützung.

Mit "Wir" meinen Sie den Hospizkreis Ottobrunn?

Ja, wir sind im Hospizkreis sechs hauptamtliche Mitarbeiterinnen, vier Koordinatorinnen und zwei Verwaltungsfachkräfte. Uns unterstützen ganz wesentlich die Ehrenamtlichen, das sind der fünfköpfige Vorstand des Vereins und unsere 88 Hospizbegleiter, die wir selbst ausbilden.

Der Welthospiztag steht 2019 unter dem Motto "Buntes Ehrenamt Hospiz". Warum ist es ein buntes Ehrenamt?

Unsere Hospizbegleiter sind ein munteres Team von Frauen und Männern, in dem durchaus auch gelacht wird. Alle erhalten eine Ausbildung, während der sie sich prüfen, ob die einerseits anspruchsvolle, aber persönlich auch bereichernde Aufgabe etwas für sie ist. Entscheiden sie sich dafür, sind sie unter Anleitung der Koordinatoren für die Patienten und deren Angehörige im Einsatz, bei Menschen mit verschiedensten Interessen. Daher "buntes Ehrenamt". Wer will, wird zusätzlich in Trauerarbeit geschult, wodurch wir eine Betreuung über den Tod hinaus anbieten können. Betonen möchte ich: Die Ehrenamtlichen können sich jederzeit an uns Koordinatorinnen wenden und erhalten regelmäßig Supervisionen, Vorträge und Weiterbildungen. Wir alle wollen gemeinsam dazu beitragen, nicht dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben, wie es die Begründerin der Hospizbewegung, Cicely Saunders, ausgedrückt hat.

Welches Thema wird das Erzählcafé am Welthospiztag haben?

Im Erzählcafé geht es um das Thema "Füreinander sorgen - früher und heute". Wilhelm Klein vom Vorstand, meine Kollegin Katrin Jaeger und ich laden am Samstag zu Gesprächen darüber ein. Es geht um Geschichten aus dem Leben. Wir wollen erfahren, wie war es früher. Auch um daraus für heute zu lernen. Das Erzählen ist freiwillig, das nicht wertende Zuhören hingegen Pflicht. Zugleich möchten wir Menschen bei Kaffee und Kuchen vermitteln, dass Sterben Teil des Lebens ist. Wir wollen vor allem Zeit für unsere Gäste haben, ihre Fragen beantworten und zuhören. Mir ist es wichtig, die Menschen für das Thema Sterben, Tod und Trauer zu sensibilisieren, ihnen die Angst davor zu nehmen. In der Hospizarbeit gibt es auch viele humorvolle und frohe Momente. Leid und Lachen liegen oft eng beieinander.

Als Koordinatorin bringen Sie Betroffene und Hospizbegleiter zusammen. Finden Sie immer die passenden?

Oft merkt man schon beim gemeinsamen Erstbesuch bei einem Betroffenen, ob das Zwischenmenschliche passt. Momentan suche ich aktuell einen Mann, der Schach spielt. Wir wollen ja die Bedürfnisse und Wünsche eines Jeden erfüllen. Der Hospizbegleiter, der fortan als fester Ansprechpartner da ist, soll passen. Zu wissen, man ist nicht allein und man erhält Hilfe, gibt Menschen das Gefühl von Sicherheit. Für Menschen am Lebensende ist diese Sicherheit noch wichtiger. "Einfach da sein!", das ist eine der Hauptaufgaben der ehrenamtlichen Hospizbegleiter in unserem Hospizkreis. Die ist, wie gesagt, nicht nur traurig, sondern vielmehr bereichernd.

Das "Erzählcafé" des Hospizkreises Ottobrunn findet am Samstag, 12. Oktober, von 15 bis 17.30 Uhr im Hanns-Seidel-Haus Ottobrunn, Ottostraße 44, statt. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen unter www.hospizkreis-ottobrunn.de.

© SZ vom 07.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: