Ottobrunn:Kuh statt Pinsel

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Der Kunstverein Ottobrunn hat ein "Rindviech" als Logo, ist der einzige im Landkreis und feiert jetzt sein 20-jähriges Bestehen. Er organisiert zahlreiche Ausstellungen in der Gemeinde und zählt inzwischen mehr als 130 Mitglieder

Von Udo Watter, Ottobrunn

Die Kuh hat einen breiten Schädel, ein feuchtes Flotzmaul, einen massigen Leib und Hörner. Auch ihre Art der Fortbewegung würde man nicht unbedingt im Reich der Ästhetik und Formvollendung verorten. Gleichwohl hat der 1995 gegründete Kunstverein Ottobrunn (KVO) das "Rindviech" als Logo gewählt und dafür auch gute Gründe: Die Kuh ist nicht nur Mutter-Symbol, sondern auch Symbol für den Evangelisten Lukas (wie der Löwe für Markus). Und Lukas wurde zum Schutzpatron der Künstler auserkoren, weil er eines Nachts die Vision hatte, er müsse die Mutter Maria malen - das soll er dann auch getan haben. "Wir haben damals furchtbar überlegt, was wir als Logo nehmen sollen: Palette, Pinsel, das war uns alles zu langweilig", erinnert sich Doris Laves-Wegat, erste Vorsitzende des Kunstvereins. Schließlich kam ihre Tochter, die Künstlerin Julia Wegat, auf die Idee mit der Kuh - und gestaltete auch gleich das Emblem des Vereins, wie es heute noch zu sehen ist.

Der im Juli 1995 gegründete KVO feiert an diesem Wochenende sein 20-jähriges Bestehen - kein Jubiläum im strengen klassischen Sinne, aber doch ein bemerkenswerter Jahrestag. Die Mitglieder des einzigen Kunstvereins im Landkreis München blicken am Samstag, 25. Juli, auf zwei Dekaden voller Ausstellungen, Aktionen und Exkursionen zurück, und würdigen dies mit einer Festschrift - das Cover ziert ein Werk von Quint Buchholz, des wohl bekanntesten Mitglieds. Die Gründung 1995 ging mit einer gescheiterten Hoffnung einher: Laves-Wegat und Tochter Julia wollten eine Künstlerkolonie in einer zum Verkauf stehenden Fabrikhalle in Riemerling aufbauen. Das Vorhaben scheiterte an den hohen Forderungen des Eigentümers, übrig blieb der Verein mit neun Mitgliedern.

Inzwischen sind es freilich mehr als 130 Mitglieder, viele sind selber Künstler und kommen aus dem Großraum München. Der Verein veranstaltet zahlreiche Ausstellungen im Jahr, die seit 2001 in der eigenen Galerie "Treffpunkt Kunst" stattfinden. Alle zwei Jahre organisiert man zudem die Ottobrunner Biennale "ARTiges", bei der man den Anspruch verfolgt, einen Querschnitt der modernen Kunst aus ganz Deutschland zu präsentieren. Des weiteren bietet der Verein Führungen, Lesungen, Kurse für Kinder an und arbeitet auch mit dem Ottobrunner Gymnasium zusammen. Eine Erfolgsgeschichte, obgleich die Resonanz und der Bekanntheitsgrad des KVO durchaus höher sein könnten.

Dem Festakt eignet freilich auch insofern historischer Charakter, als es die letzte große Veranstaltung mit der langjährigen Vorsitzenden und treibenden Kraft des Vereins, Doris Laves-Wegat, im Amt sein wird. Bei der nächsten Wahl Ende Januar wird sie nicht mehr antreten. Zwar gebe es noch Versuche, sie umzustimmen, und auch Bedenken, der Verein gehe ohne sie schweren Zeiten entgegen, aber ihr Entschluss steht fest. "Wir haben gut 130 Mitglieder, wir sind der einzige Kunstverein im Landkreis, das wird weitergehen", ist sie sicher. Und wer folgt nach? Gabriele Irle, derzeit zweite Vorsitzende, steht nicht zur Verfügung. Laves-Wegat hat einen Kandidaten im Kopf, der selbst nicht Künstler ist, was sie gut findet: "Ich denke, es war von Vorteil, dass ich nicht künstlerisch tätig bin. Dadurch war ich nie festgelegt und vielleicht offener für ausgefallene Stile."

Wenn sie so zurückblickt, lagen ihr besonders Ausstellungen mit Illustrationen für Kinderbücher am Herzen oder unter dem Motto "Ku(h)riositäten" - ein Tribut KVO-Logo. Organisiert hat sie auch Ausstellungen mit Künstlern aus Russland oder China. "Das war schon abenteuerlich: Ich mit meinen komischen Ideen", erinnert Laves-Wegat sich. Bis 2001 hatte der KVO keine festen Ausstellungsräume, musste immer wieder den Ratssaal im Wolf-Ferrari-Haus anmieten, um Exponate übers Wochenende zu präsentieren, ein finanzieller und organisatorischer Kraftakt. Den Vorschlag der damaligen Ottobrunner Bürgermeisterin Sabine Kudera, in den leeren Laden im Rathausgebäude einzuziehen, griff man daher gerne auf - und die Galerie "Treffpunkt Kunst" entstand. Ideal sind die Räumlichkeiten nicht, aber man hat sich im Lauf der Jahre arrangiert.

Mitunter hatte es die selbst nicht immer ganz unkomplizierte KVO-Vorsitzende Laves-Wegat auch mit schwierigen Künstlerpersönlichkeiten zu tun - der "ARTiges"-Preisträger 2012 Emmanuel Eni aus Berlin gab etwa nach einem Zerwürfnis und finanziellen Forderungen seinerseits den Kunstpreis wieder zurück. "Uns ist so etwas in 17 Jahren Vereinsgeschichte noch nie passiert", erklärte Laves-Wegat damals. Freilich ist so etwas die Ausnahme und in ihrem letzten Jahr als Vorsitzende hat die gebürtige Westfälin sich bisher an jeder Ausstellung erfreut - ob die Gedenkausstellung für das langjährige Mitglied Edith Schumacher oder Werkschauen mit Arbeiten von Quint Buchholz oder ihrer Tochter Julia Wegat. Die lebt inzwischen in der Nähe von Halle/Saale und dorthin will über kurz oder lang auch Laves-Wegat ziehen. Zuvor gibt es aber noch einiges zu organisieren und zu feiern: Diesen Samstag etwa von 12 Uhr an im Skulpturengarten hinterm Ottobrunner Rathaus: Dort stehen standesgemäß auch zwei "Kunst-Kühe" des KVO-Mitglieds Beate Schubert.

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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