Ottobrunn:Innere Sicherheit

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Auf den richtigen Schlag kommt es an: der Ottobrunner Polizist Rudi Elfinger zeigt Teilnehmerinnen eines Kurses, wie sie sich wehren können. (Foto: Angelika Bardehle)

Seit den sexuellen Übergriffen von Köln ist insbesondere das Interesse von Frauen an Selbstbehauptungskursen groß. Die Polizei in Ottobrunn bietet solche Schulungen an - allerdings "nicht um vor Asylbewerbern zu schützen, sondern um Ängste zu nehmen"

Von Magdalena Mock, Riemerling

"Ach komm', trink 'nen Schluck mit mir", raunzt ein Betrunkener eine allein sitzende Frau im Bus an. Er setzt sich neben sie und hält ihr seine Bierflasche vor die Nase. "Komm', trink! Magst mich nicht?!" Die Frau, sichtlich bedrängt, möchte aufstehen und gehen. Doch er hält sie fest, legt ihr den Arm um die Schulter, redet auf sie ein. Sie protestiert - verhalten, freundlich. Als sich eine Mitfahrende zaghaft einmischt, schlägt der Mann auf die Lehne des Vordersitzes und brüllt: "Ey, was willst du denn? Misch dich nicht ein!"

Die unangenehme Situation, die fast jede Frau und jedes Mädchen in ähnlicher Form schon einmal erlebt oder mitbekommen hat, ist nur eine nachgestellte Szene. Sie spielt sich in der Polizeiinspektion Ottobrunn während eines Kurses zur Selbstbehauptung für Frauen ab. Kontaktkommissar Rudi Elfinger, der gekonnt den Betrunkenen mimt, ist einer der Leiter des Kurses. Zusammen mit seinem Kollegen Hans Wittl gibt er den Teilnehmerinnen Verhaltenstipps, wie sie sich aus einer Angstsituation befreien oder anderen Bedrängten zu Hilfe kommen können. "Man muss kein Held sein, um sich und anderen zu helfen", sagt Wittl. Die Beamten machen aber auch klar: Es gibt kein Patentrezept. In manchen Ausnahmesituationen kann man selbst nichts mehr machen.

Nach den sexuellen Übergriffen in Köln herrscht eine zunehmend unsichere Stimmung in Teilen der Bevölkerung angesichts des zu erwartenden Flüchtlingszuzugs im Münchner Landkreis. Pfeffersprays verkaufen sich gut. Ein großes Bedürfnis nach Selbstschutz, gerade bei Frauen, bemerkt Armin Ganserer, wenn er zu Bürgerversammlungen geht. "Die Ängste sind vorhanden und die wollen wir auch ernst nehmen", sagt der Chef der Ottobrunner Polizeiinspektion. Eines möchte er jedoch ganz klar herausstellen: "Wir veranstalten diese Kurse nicht, um die Bevölkerung vor Asylbewerbern zu schützen - sondern um Ängste zu nehmen!", betont der Polizeihauptkommissar.

Der Kurs dreht sich vor allem um eines: Zivilcourage. Er ist überwiegend theoretisch ausgerichtet, aufgelockert durch Videosequenzen und Rollenspiele. Körperliche Selbstverteidigung ist nur ein kleiner Teil davon. Neben rechtlichen Hinweisen vermitteln die Beamten den Teilnehmerinnen richtiges Verhalten in einer Konfliktsituation: Wie kann ich helfen, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen?

Konkret für die Szene im Bus hieße das: Immer das Opfer ansprechen, nicht den Täter. Den Belästiger siezen und Beleidigungen vermeiden, das schafft mehr Distanz. Andere Fahrgäste zu Hilfe holen, dabei Menschen konkret adressieren. Als Belästigte sollte man möglichst genau artikulieren, was man nicht will, und dabei laut sprechen. Etwa: "Fassen Sie mich nicht am Oberschenkel an! Nehmen Sie den Arm von meiner Schulter!" Auf die peinliche Situation, die dadurch entsteht, erlangt die Betroffene die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen. Es wird eine gewisse Öffentlichkeit hergestellt und der Täter aus seiner Anonymität gerissen.

Den meisten, die eine Person mit Absicht belästigen, geht es um ein Machtspiel. Daher empfiehlt Wittl präventiv selbstsicheres Auftreten, eine aufrechte Haltung, den Blick nicht senken. Wem das schwerfällt, gibt er den Tipp: "Einfach auf die Nasenspitze schauen."

Sein Kollege Elfinger ermuntert die Kursteilnehmerinnen, keine Scheu davor zu haben, die Notrufnummern 110 und 112 zu wählen - egal ob sie sich selbst bedroht fühlen oder jemandem zu Hilfe kommen möchten. "Der einzige Fehler, den man machen kann, ist, dass man gar nichts macht", erklärt er.

Von Selbstverteidigung mit Waffen raten die Kursleiter eher ab. "Wir verteufeln das Pfefferspray nicht, aber es hat doch einige Nachteile", sagt Wittl. Das größte Problem von Waffen aller Art ist, dass sie gegen das Opfer selbst gewendet werden können. Besser als Pfefferspray und Co. seien Trillerpfeifen, Schrillalarm und Taschenlampen. Besonders geeignet seien helle LED-Lampen, mit denen man den Täter blenden kann - und dann die Gelegenheit zur Flucht nutzen. Einige praktische Tricks haben Elfinger und Wittl für den Schluss des Kurses aufgehoben. Die Polizisten demonstrieren und üben Handballenschlag, Schienbeinkick, Stapfschritt und Stopp-Schrei. Alles einfache, aber effektive Selbstverteidigungsmittel.

"Mir hat das sehr geholfen", sagt eine ältere Frau hinterher. "Mich hat sehr interessiert, wie man sich verhalten soll. Ich fühle mich wirklich besser. Sicherer." Rudi Elfinger und Hans Wittl dürften sich freuen über dieses Feedback. Das war der Sinn ihres Kurses.

Die Polizeiinspektion Ottobrunn bietet bis Ende März weitere Selbstbehauptungskurse für Frauen an. Die Teilnehmerzahl ist pro Kurs auf 16 Personen begrenzt. Kursbeginn ist jeweils um 18 Uhr. Interessierte können unter Telefon 089/ 62 98 00 oder per E-Mail an die Adresse pp-mue.ottobrunn.pi28@polizei.bayern.de weitere Informationen erhalten. Ansprechpartner ist Rudi Elfinger.

© SZ vom 13.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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