Ottobrunn:Einblick in die Seelenwelt

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Das Wolf-Ferrari-Haus bringt Premieren und Sozialkritik auf die Bühne

Von Udo Watter, Ottobrunn

Es dürfte eines der gesellschaftlich einflussreichsten Bücher des 19. Jahrhunderts sein: Der 1852 erschienenen Roman "Onkel Toms Hütte" von Harriet Beecher Stowe erreichte ein Millionenpublikum und avancierte als literarisches Plädoyer gegen die Sklaverei zur Kampfschrift politischer Aktivisten in den Nordstaaten gegen die Zustände im Süden. Angeblich soll Abraham Lincoln bei einem Treffen mit der Schriftstellerin während des Bürgerkriegs gesagt haben: "Sie sind also die kleine Frau, deren Buch diesen großen Krieg verursacht hat."

Ob das nun stimmt oder nur eine erfundene Anekdote ist - das Werk, das Themen wie Ausbeutung, Menschenwürde und Emanzipation behandelt, ist von zeitloser Gültigkeit, und die Ottobrunner haben am Samstag, 3. Oktober, zur Eröffnung der neuen Spielzeit im Wolf-Ferrari-Haus die Möglichkeit, es als Musiktheaterstück zu sehen. Die Hauptrolle spielt der gebürtige US-Amerikaner Ron Williams, der seit vielen Jahrzehnten in Deutschland als Schauspieler, TV-Moderator, Kabarettist und Sänger erfolgreich ist. Für die Theaterversion von Gerold Theobalt wurden Ausschnitte aus dem Roman zu Theaterszenen umfunktioniert. Zudem komponierte Williams eigens Gospels, Spirituals und Songs für das Stück. Die Produktion der Theatergastspiele Kempf aus Grünwald wird in diesem Herbst zum ersten Mal auf der Bühne gezeigt.

Im Oktober stehen indes noch zwei weitere viel versprechende Theaterereignisse auf dem Programm. Zum einen die deutsche Erstaufführung von "A Steady Rain" (wörtlich "ständiger Regen", deutscher Titel: "Zwei beste Freunde") von Keith Huff. Es ist die neueste Inszenierung von Regisseur Bernd Seidel, der ja auch als künstlerischer Berater am Wolf-Ferrari-Haus fungiert. Seidel verlegt die Handlung der 2009 uraufgeführten Broadway Produktion nach Deutschland: Es geht um das Schicksal zweier Polizistenfreunde, denen ein folgenschwerer Fehler in ihrer Ermittlungsarbeit passiert. Es entsteht eine Szenenabfolge, die nicht nur in die Verbrecher-, sondern auch in die Seelenwelt der Hauptfiguren - gespielt von Patrick Gabriel und Patrick Wolff - führt. Das Publikum erwartet ein hoch emotionales, berührendes Werk. "Es ist ein tolles Schauspielerstück, aber auch ein heftiges Stück", erklärt Seidel, der momentan mit den beiden Darstellern in seinem spanischen Domizil für die Premiere in Ottobrunn probt. Ein psychologischer und dramaturgisch ambitionierter Krimi, der in die Abgründe der Unterwelt und menschlicher Versuchungen führt. "Eine Riesenherausforderung. Sehr extrem, aber auf einer realistischen Ebene", urteilt Seidel. Entsprechend plastisch und heftig ist auch die Sprache. Man darf gespannt sein, wie der in Ottobrunn schon öfter gefeierte Schauspieler Patrick Gabriel seine Rolle meistert. Ihm zur Seite steht der aus dem Fernsehen bekannte Patrick Wolff, der im Wolf-Ferrari-Haus im vergangenen Jahr mit großem Erfolg bei "Amphitryon" mitgewirkt hat.

Nur wenige Tage später steht ein ebenfalls nicht ganz leicht verdauliches Stück auf dem Programm: "Ein Volksfeind". Das Schauspiel von Hendrik Ibsen ist ein zeitloses Gesellschaftsdrama, das heute über ein Jahrhundert später als Umweltkrimi in der Version von Rainer Erler auf die Bühne gefunden hat. Ibsen schrieb das Stück nicht als Ökovorkämpfer und Retter der Natur um den Skandal einer verseuchten Heilquelle, sondern um menschliche und gesellschaftliche Konflikte aufzubrechen. Hier agiert mit Rufus Beck ("Der bewegte Mann") ein Schauspieler, der dem Publikum aus Fernsehen oder Film bekannt sein dürfte. "Drei besonders attraktive Veranstaltungen", wie Seidel meint, "sozialkritisch, heftig und alles andere als seicht."

Alle drei Vorstellungen beginnen jeweils um 19.30 Uhr. Karten gibt es im Vorverkauf im Wolf -Ferrari-Haus unter Telefon 089/608 08 302.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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