Kaiser Franz, letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und erster Kaiser von Österreich, spricht aus, was viele Zeitgenossen sich nur zu denken trauen: "Der arme Bua." Mitleid klingt aus diesen Worten gleichermaßen wie die Erkenntnis, der Bua sei der ihm auferlegten Aufgabe nicht gewachsen. Der Bua, das ist Prinz Otto, Sohn des späteren Königs Ludwig I. von Bayern. Und die Aufgabe, die ihm zuteil wird, ist jene des Königs der Hellenen. Drei Jahrzehnte lang - von 1832 bis 1862 - sitzt der Wittelsbacherprinz auf dem Thron der Griechen und wird nach seinem Gang ins Exil ins fürstbischöfliche Bamberg dereinst sagen: "Ich habe dieses Land lieben gelernt."
"Oh Bayerns Sohn, zu Hellas' Heil berufen", singt Martina Prohaska im Ratssaal des Ottobrunner Wolf-Ferrari-Hauses am Montagabend. In jener Gemeinde, die den Namen des Königs von Griechenland trägt. Hier nahm der Prinz am 6. Dezember 1832, gerade 17 Jahre alt, von seinem Vater Abschied. Die 1834 enthüllte Ottosäule zeugt noch heute von diesem Ereignis. "Will ich ein Bayer auch in Hellas sein", lässt die Sängerin Martina Prohaska, begleitet von ihrem Bruder Martin und Helmut Scholz, die Zuhörer im Ottobrunner Ratssaal wissen - und schlägt so den Bogen von Bayern nach Griechenland, vom Wittelsbacher Prinz zum griechischen Regenten. Von Ottobrunn nach Nauplia, der einstigen Hauptstadt Griechenlands.
Ottobrunn ehrt seinen Namensgeber mit einem Festakt. Die Gemeinde feiert am 1. Juni den 200. Geburtstag Ottos von Griechenland. Sie tut dies nicht mit Pomp und Gloria, sondern würdevoll und bedächtig. Den Zeiten angemessen, wie auch Jan Murken, Leiter des König-Otto-von-Griechenland Museums Ottobrunn, befindet. Murken hat zum Empfang im Ratssaal geladen und weiß, dass es den Blick zurück nur mit jenem auf die Gegenwart geben kann. "Viele Überschriften, die zur Zeit über Griechenland zu lesen sind, sind kränkend", sagt Murken. "Aber es gibt doch nur ein Vaterland: Europa."
Welch hohe Wellen einst der Umzug Ottos auf den Peloponnes schlug, verdeutlicht Cornelia Oelwein, Autorin des Werks "Soldaten für König Otto. Der Marsch der bayerischen Truppen nach Griechenland und zurück 1832 bis 1835". Mehr als 3500 Soldaten begleiteten den künftigen König der Griechen auf seiner Reise, das mediale Interesse und auch die Neugier in der Bevölkerung seien enorm gewesen, sagt Oelwein. Volksfeststimmung herrschte in der Residenzstadt München, sagt Oelwein, in der sich die Soldaten - gestellt von Ludwig I. - trafen. Euphorisch war auch der Empfang in der damaligen griechischen Hauptstadt Nauplia.
"Nafplio", sagt Reinhold Friedrich, der mit einem neuen Buch die Zeit Ottos in seiner ersten Residenzstadt in den Jahren 1833 und 1834 beleuchtet. "Und besser könnte es nicht passen. Genau heute zum Geburtstag Ottos, ist das Buch aus dem Druck gekommen", sagt Friedrich. Der Autor ist für das Werk "König Otto von Griechenland. Die bayerische Regentschaft in Nauplia 1833/1834" tief in die Materie eingetaucht. Hat Zeitzeugenprotokolle und Gerichtsberichte studiert. Quellen aufgetrieben, die noch nicht bearbeitet waren. Sein Werk ist ein umfassendes, im Ottobrunner Ratssaal präsentiert er nur einen Auszug: "Den glücklichsten Tag Ottos." Seinen Einzug in Nafplio, vorbei am bayerischen Chor und unter den Salutschüssen der Schutzmacht England.
Die Freude ist auch 200 Jahre später groß. Jan Murken darf sich, gewissermaßen als Empfänger der Geburtstagsglückwünsche, über zwei Geschenke freuen: Ein Faksimile der griechischen Verfassung aus Athen sowie Porträts von Ioannis Kapodistrias, des ersten griechischen Präsidenten nach der Befreiung von den Osmanen aus Nauplia - überbracht durch Herbert Speckner. So geht die Geschichte Ottos und der Griechen weiter - in Ottobrunn.