Ottobrunn:Dialog bei Datteln und Tee

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Bei einem ökumenischen Friedensgebet in Ottobrunn lernen sich muslimische und christliche Gläubige kennen - und beten gemeinsam für den internationalen Frieden

Von Johanna Mayerhofer, Ottobrunn

Arabischer Sprechgesang klingt durch die Räume der evangelischen Jugend in Ottobrunn. Etwa zwanzig Augenpaare sind auf den 17 Jahre alten Feysal gerichtet. In den Händen hält der Somalier ein Buch mit grünem Einband in arabischer Schrift. Den Oberkörper vornübergebeugt trägt er die ausgewählten Verse aus dem Koran vor. Im Stuhlkreis sitzend, lauschen ihm die Zuhörer andächtig. Sein Stuhlnachbar übersetzt nach jedem vorgetragenen Vers die arabischen Sätze ins Deutsche. Es ist ein Friedensgebet. "Wir möchten nun Allah um seinen Segen bitten", sagt Husein Durmic am Ende und blickt in die Runde. Zusammen mit der evangelischen Pfarrei hat der Vorstand des Deutsch-Islamischen Kulturkreises Ottobrunn, Diko, an diesem Abend zu einem ökumenischen Friedensgebet eingeladen.

Zum zweiten Mal gestaltet Diko das Treffen, das einmal im Monat stattfindet und von verschiedenen Pfarreien und Kirchengemeinden aus dem Landkreis abwechselnd übernommen wird. "Seit 2009 pflegen wir nun schon den interreligiösen Dialog mit den evangelischen und katholischen Pfarreien in Ottobrunn und Umgebung", sagt Durmic, "und letztes Jahr wurden wir gefragt, ob wir nicht auch ein Friedensgebet gestalten möchten." Das ökumenische Friedensgebet gebe es aber schon über zwanzig Jahre, wendet Heidi Maurer ein. Als aktives Pfarreimitglied der Ottobrunner Gemeinde St. Magdalena hat Maurer die Zusammenarbeit mit dem muslimischen Verein initiiert. "Während des Bosnienkrieges haben drei Frauen die ersten Treffen organisiert." Heute seien die Kriegszustände in den Krisengebieten der Welt einmal mehr ein Grund für ein gemeinsames Gebet für den internationalen Frieden, unabhängig von Nationalitäten und Glaubensrichtungen, sagt Husein Durmic. In seinem vorgetragenen Bittgebet gedenkt er deshalb vor allem den Menschen in der Ukraine, Irak und Syrien.

Muslime beim Freitagsgebet in München-Sendling. (Foto: Stephan Rumpf)

Neben den Diko-Mitgliedern finden auch andere muslimische Gläubige den Weg ins evangelische Jugendhaus: "Wir laden auch gezielt die muslimischen Flüchtlinge zu dem Treffen ein", sagt Maurer. Feysal und vier weitere junge Flüchtlinge nehmen das Angebot dankend an. Bei Tee und Datteln kommen sie nach dem Gebet schnell mit den anderen Teilnehmern aus den Pfarreien und dem Kulturkreis ins Gespräch. Insgesamt sind derzeit 250 Flüchtlinge mit unterschiedlichster Herkunft in Ottobrunn untergebracht.

Gerade in der heutigen Zeit sei dieser Austausch wichtig, sagt Ursula Sauer. Die evangelisch-gläubige Neubibergerin ist von der Idee des gemeinsamen Betens und Kennenlernens begeistert. "Es gibt zu viele Menschen, die versuchen Hass zu schüren, den ich für nicht gerechtfertigt halte." Bei dem von Husein Durmic vorgetragenen Bittgebet öffnet sie die Arme mit zur Decke zeigenden Handflächen, so wie es die Muslime im Raum vormachen.

Dass ein ökumenisches Friedensgebet von Muslimen gestaltet wird, ist eine Besonderheit: "Die Ökumene ist grundsätzlich ein innerchristlicher Begriff, der den Austausch unter den einzelnen Konfessionen meint", erklärt Dekan Mathis Steinbauer, "heute Abend haben wir ja einen zwischen Religionen." Zusammen mit Durmic hat der evangelisch-lutherische Pfarrer der Michaelskirchengemeinde Ottobrunn-Hohenbrunn-Neubiberg den Dialog mitbegründet. Regelmäßig begrüßt der Pfarrer den deutsch-islamischen Kulturkreis zu Gottesdiensten, diese wiederum zeigen sich offen und laden die Pfarrmitglieder zu islamischen Festen ein. "Uns ist es einfach wichtig, dass die Menschen sehen, dass ein Großteil der Muslime sehr offen und dialogbereit ist und nur ein kleiner Teil extreme Ansichten hat und sich radikalisiert", sagt Steinbauer.

Pfarrer Mathis Steinbauer, Husein Durmic und seine Frau Fata, Heidi Maurer und Basel Alidris aus Syrien nach dem Friedensgebet. (Foto: Angelika Bardehle)

Demnächst ist sogar noch ein größeres Unternehmen geplant: "Wir organisieren eine interreligiöse Reise nach Sarajevo für nächstes Jahr", sagt Steinbauer. Wenn man zusammen unterwegs sei, lerne man sich noch viel intensiver kennen. "Und wir werden der Idee des Dialogs treu bleiben", sagt der Pfarrer. Gespräche mit muslimischen aber auch mit christlichen Geistlichen seien geplant. An der Reise teilnehmen wird auch Ursula Sauer. "Ich freue mich, viele weitere Menschen kennenzulernen, die mit anderen kulturellen Herkünften andere Glaubenswege gehen", sagt die Frau aus Neubiberg - und greift nach einem Glas arabischen Tee.

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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