Ottobrunn:Der traurige Ritter tanzt

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Choreograf Eckhard Paesler und das Tanzforum München verwandeln Miguel de Cervantes' "Don Quijote" in ein kunstvolles Ballett und beweisen dem geneigten Publikum im Ottobrunner Wolf-Ferrari-Haus, wie gut Humor und Grazie zusammenpassen

Von Franziska Gerlach, Ottobrunn

Er tauchte schon in einem Asterix auf, ein Asteroid ist nach ihm benannt, seine Geschichte bot die Vorlage für Musicals, Theaterstücke und Filme. 2002 wurde das Anfang des 17. Jahrhunderts von Miguel de Cervantes verfasste Werk zum besten Buch der Welt gekürt: Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha. Wie traurig der bekanntermaßen traurige Ritter allerdings gewesen sein muss, das war auch den Zuschauern sofort klar, die am Samstag der getanzten Version in Ottobrunn beiwohnten.

Gleich zu Beginn lag da ein junger Mann am äußeren Bühnenrand und blätterte in seinem Buch, einsam und alleine, während sich auf einer Leinwand hinter ihm die Windmühlen drehten. Auch tänzerisch glich die Aufführung zunächst einer umfänglichen Abfolge aus Drehungen und Sprüngen auf flacher Sohle, und den Ottobrunnern gefiel, was sie zur Musik von Ludwig Minkus sahen, immer wieder applaudierten sie zwischen den Sequenzen.

Zwei Dinge erwartet der durchschnittliche Kulturkonsument von einem Ballettbesuch in der Weihnachtszeit, und das 1996 gegründete Tanzforum München gab ihm mit seiner Interpretation von "Don Quijote" beides: ein Märchen mit gutem Ausgang, einerseits. Aber auch das besondere Ereignis am Ende des Jahres.

Dass der Heilige Abend unmittelbar bevor steht, erkannte man in Ottobrunn nicht nur an dem Adventskranz, der im Foyer des Wolf-Ferrari-Hauses von der Decke hing. Drei kleine Mädchen brabbelten aufgeregt vom Christkind, vier ältere hatten sich festlich herausgeputzt. Mit ihren akkurat gescheitelten Haaren und leicht geröteten Wangen hätten sie gut in die rustikale Welt gepasst, die sich da auf der Bühne entfaltete. Die weißen Hängerchen mit den Blumenstickereien, die die Tänzerinnen trugen, die weit schwingenden Kleider in verschiedenen Grüntönen, die Herren in den Westen - und nicht zu vergessen die Auftritte von Rosinante, Don Quijotes Pferd, das schon mal den blonden Schweif hob und einen Apfel zu Boden plumpsen ließ oder nach hinten austrat.

Ganz einfach war es zugegebenermaßen nicht, sich in der Geschichte zurechtzufinden. Mancher im Saal hätte sich da mehr Anhaltspunkte gewünscht, das Markante in der Inszenierung, das einem nicht mehr aus dem Kopf geht. Andererseits fühlte man sich in Ottobrunn gerade wegen des entspannten Umgangs mit dem Sujet so wohl, auch die Dosis an Parodien war genau die richtige. Wie gut sich Humor und Tanz vertragen, zeigte insbesondere in der Rolle des Dieners Sancho Pansa Eckhard Paesler, der zugleich für die Choreografie verantwortlich zeichnete. Ein Pas de Deux, das tänzerische Duett, mit einem ausgestopften Bäuchlein zu wagen, dazu gehört schon ein gewisser Sinn für Ironie. Sein Bruder Andreas Paesler war es übrigens, der Don Quijote 2003 für das Tanzforum adaptierte und dabei ein fröhliches Stück schuf, bunt und voller Lebensfreude. Bei Eckhard Paesler wird die Annäherung zwischen Don Quijote und der zarten Dulcinea zum verbindenden Element der Handlung, die Liebe zweier Menschen, von welcher der eine allerdings erst überzeugt werden muss.

Im ersten Teil der Aufführung scheint der immerzu lesende Don Quijote noch ganz in seinen Tagträumen gefangen. Erst als Dulcinea vermeintlich zu ertrinken droht, entdeckt er seine Gefühle für sie. Und es ist sicher kein Zufall, dass mit dieser Erkenntnis auch die Darbietung an Konturen gewann - transportiert in präzise auf Spitze getanzten Soli.

Hervorzuheben ist hier vor allem der Auftritt von Franka Knieß in der Rolle der Dulcinea, die immer wieder echte Grazie auf die Bühne brachte, etwa im Pas de Deux mit Don Quijote (Oliver Exner). Die Körper der Tänzer streben aufeinander zu, und wenn sie sich trennen, dann nur für einen kurzen Moment. Das Paar findet sich in geschmeidigen Hebefiguren und ineinander fließenden Bewegungen, die Gefühle brechen sich Bahn - was passte besser zur Weihnachtszeit?

© SZ vom 14.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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