Ottobrunn:Vollbremsung in Echtzeit

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Gemeindeverwaltung lehnt den Aufbau eines digitalen Fahrgastinformationssystems ab.

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) ist ein großer Bus-Fan. Vor allem die Linie 210 hat es ihm angetan, die Neuperlach Süd mit Brunnthal verbindet und zu den verkehrlichen Lebensadern Ottobrunns gehört. Loderers Liebe für den Busverkehr aber hört in diesen Tagen auf, wenn es um ein Projekt geht, das der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund auch außerhalb der Grenzen der Landeshauptstadt forcieren möchte: Den Aufbau des sogenannten Dynamischen Fahrgastinformationssystems (DFI), das Pendler via digitaler Anzeige in Echtzeit über die Ankunfts- und Abfahrtszeiten des gewünschten Verkehrsmittels informiert. Zumindest für die Gemeinde Ottobrunn, teilt Loderers Verwaltung mit, komme der Aufbau des Systems aber nicht infrage. Es sei nicht präzise genug - und darüber hinaus auch noch zu teuer, gerade in Corona-Zeiten.

Der Ottobrunner Planungs- und Umweltausschuss des Gemeinderats wird sich am Dienstag, 16. Juni, von 19 Uhr an mit dem Fahrgastinformationssystem befassen. Bereits im November 2018 hat sich der Kreistag diesem Thema gewidmet und beschlossen, das DFI auf Kreisebene einführen zu wollen. Letztlich liegt die Entscheidungshoheit darüber aber bei den Kommunen, die sowohl einen Großteil der Investitions- wie auch der Betriebskosten zu tragen hätten. Im März dieses Jahres hat nun das Landratsamt Kommunen angeschrieben, die aus Sicht des MVV für den Aufbau des Fahrgastinformationssystems geeignet wären und auch Haltestellen vorgeschlagen.

Ottobrunn bräuchte 29 Anzeigetafeln

In der Gemeinde Ottobrunn wurde die Installation von 29 Anzeigetafeln an zwölf Stopps vorgeschlagen. Diese Zahl, so lässt die Rathausverwaltung wissen, ergebe sich dadurch, dass Haltestellen von mehreren Buslinien bedient würden, zudem oft unterschiedliche Halts existierten und teilweise auch beide Fahrtrichtungen vorgeschlagen worden seien. Die Kosten für den Aufbau der 29 digitalen Anzeigetafeln, wie sie längst im S-Bahn-Netz vorhanden sind, beziffert der MVV mit etwa 363 000 Euro. Hiervon müsste die Gemeinde Ottobrunn, die Fördergelder bereits mit eingerechnet, zwischen 218 000 und 254 000 Euro tragen. Hinzu kommt noch der Personalaufwand für Organisation und den Einbau, den auch die Gemeinde tragen müsste, sowie jährliche Betriebskosten in Höhe von etwa 45 000 Euro.

Für Rathauschef Loderer und seine Verwaltung ist klar: "Aus Sicht der Verwaltung stehen diese Kosten in keinerlei Verhältnis zum Nutzen. Über einen Zeitraum von zehn Jahren würden der Gemeinde finanzielle Belastungen in Höhe von insgesamt 650 000 bis 700 000 Eure entstehen", heißt es in dem ablehnend formulierten Beschlussvorschlag. Geld, dass der Gemeinde nicht zuletzt aufgrund der Corona-Krise nicht zur Verfügung steht. Loderer rechnet im Zuge der Auswirkungen der Pandemie mit einem erheblichen Einbruch bei kommunalen Einnahmen durch die Gewerbe- und Einkommenssteuer. Etliche Projekte müssten auf den Prüfstand, sagte der Rathauschef der SZ, und solche wie ein digitales Fahrgastinformationssystem dürften aus seiner Sicht gar nicht erst vom Gemeinderat beschlossen werden.

Zudem bemängelt die Verwaltung, die 14-tägige Frist, die das Landratsamt dem Ottobrunner Rathaus im März gegeben hat; diese sei schon aufgrund der Corona-Beschränkungen nicht einzuhalten gewesen. Zudem hätte die Verwaltung zunächst alle Pläne mit dem noch laufenden barrierefreien Ausbau der Bushaltestellen in der Gemeinde abgleichen müssen, auch hierfür habe die Zeit gefehlt.

Und letztlich sehen Loderer und seine Mitarbeiter keine Notwendigkeit für den Aufbau des Systems, schließlich habe mittlerweile nahezu jeder Pendler ein mobiles Gerät, mit dem die Ankunftszeiten abgerufen werden könnten. Beim 210er-Bus ist das ohnehin nicht nötig. Der fährt die meiste Zeit im Zehn-Minuten-Takt, da braucht es keine Anzeige.

© SZ vom 15.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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