Ottobrunn:Möbel Scheungraber schließt nach 105 Jahren

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Martin und Carola Scheungraber geben das Möbelgeschäft auf, das seit 105 Jahren in Familienhand ist. (Foto: Claus Schunk)

Bis Ostern läuft der Ausverkauf in Ottobrunn.

Von Nadja Tausche, Ottobrunn

13 Monate dauert es laut einer Studie durchschnittlich vom ersten Gedanken, man könnte ja mal neue Möbel kaufen, bis zur Unterschrift unter dem Kaufvertrag. 105 Jahre lang hat die Familie Scheungraber sich darum gekümmert, dass diese Möbel auch angeboten werden: Erst als Schreinerei, später auch als Möbelhaus. Jetzt macht Martin Scheungraber den Betrieb in Ottobrunn zu.

"Wir haben die Arbeit gerne gemacht", sagt der Firmenchef. Zu fünft arbeiten sie momentan in dem Möbelhaus an der Putzbrunner Straße: er als Geschäftsführer, seine Frau Carola in der Buchhaltung, dazu drei Mitarbeiter. Sie beraten, planen und montieren die Möbel. Geschreinert werden diese schon länger nicht mehr in eigenen Werkstätten, sondern von einer Firma in Oberösterreich. Diese liefert dann auf Bestellung. Das ist billiger, als die Möbel in Ottobrunn herzustellen.

Firmengründer war der Großvater

Gegründet hatte Scheungrabers Großvater den Betrieb aber als Schreinerei, das war damals noch im Münchner Stadtteil Neuhausen. Als die Großeltern 1919 nach Ottobrunn umzogen, wollten sie dort eigentlich Kartoffeln anbauen und Gemüse, um nach dem Ersten Weltkrieg etwas zu essen zu haben. Dann bauten sie aber doch wieder eine Schreinerei auf, 1965 kam das Möbelhaus dazu.

Mittlerweile war auch Scheungrabers inzwischen verstorbener Vater mit im Boot, Josef Scheungraber. Sein Name ist nicht nur in Ottobrunn bekannt. Er war von 1955 bis 1972 Gemeinderat der Parteifreien Wählerschaft, von der Gemeinde wurde er mit der Bürgermedaille ausgezeichnet, die Feuerwehr ernannte ihn zum Ehrenkommandanten. Die Ehrungen wurden ihm später allerdings wieder aberkannt, nachdem er 2009 wegen maßgeblicher Beteiligung an einem Massaker der Wehrmacht in Italien zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, die er aus gesundheitliche Gründen allerdings nicht antreten musste. Martin Scheungraber, der Sohn und heutige Inhaber, will nicht über dieses Kapitel der Familiengeschichte sprechen. Es habe nichts mit dem Geschäft zu tun und keine Auswirkungen darauf gehabt, sagt der Firmenchef.

Er bereitet in diesen Wochen die Schließung des Traditionsunternehmens vor. Überall im Geschäft stehen rote "Verkauft"-Schilder auf den Möbeln, die Musterzimmer gibt es nicht mehr. "Es sind nur noch Fragmente da", sagt er. Scheungrabers verkaufen Möbel ganz unterschiedlicher Preisklassen. Ein Tischchen kann 98 Euro kosten, aber auch 798 Euro. Auf Vorrat ist nichts: Jedes Stück wird einzeln bei der Schreinerei in Auftrag gegeben. Davor berät Scheungraber seine Kunden. Zwei dicke Ordner hat er dafür, voll mit Holzpaletten. "Santos-Palisander" ist unter anderem im Angebot oder "Risseiche". Für die Innenwände von Schränken wird auch Laminat verwendet, das kommt den Kunden billiger. "Zu teuer" - das aber habe in all den Jahren kein Kunde gesagt.

Mehr Geld ausgeben als in den großen, bekannten Möbelhäusern müssen die Kunden denn auch. Die Konkurrenz der selbsternannten Möbelgiganten ist aber nicht der Grund, warum der Ottobrunner schließt. Er habe seinen Umsatz bis zuletzt sogar steigern können, sagt er. Einzelbetriebe müssten sich eine Nische suchen, dann könnten sie bestehen. Seine Nische waren die Planungsmöbel. Wer sich bei ihm Möbel bestellte, hat in der Regel schon ein Eigenheim und das nötige Kleingeld. Wenn Zwanzigjährige zu ihm kämen, würde ihn das schon wundern. Das sei eine andere Lebensstufe. "Meine Kinder haben sich ihre Studentenbuden auch bei Ikea eingerichtet", sagt Martin Scheungraber. Der Unternehmer ist jetzt 61 Jahre alt. Er halte die Zeit für gekommen, in den Ruhestand zu gehen, sagt er.

Die Kinder wollten die Firma nicht übernehmen

Einen Nachfolger, der die Firma übernehmen könnte, wollte er nicht suchen. Dass seine zwei Kinder den Betrieb nicht übernehmen wollen, sei für ihn kein Problem, sagt der Möbelhändler. "Sie müssen selbst entscheiden, was sie machen wollen." Ein Teil des Betriebs bleibt zudem in der Familie: Scheungrabers Neffe hat eine Polsterwerkstätte auf dem gleichen Grundstück. Sebastian Mayer bezieht dort alte Möbel mit neuem Polster, wenn die Besitzer an den Erinnerungsstücken hängen und diese nicht wegwerfen wollen oder wenn der Stoff schlicht abgewetzt und dreckig ist. Übernommen hat Mayer den Betrieb von seiner Mutter, Scheungrabers Schwester.

Bis Ostern hat Mayer seinen Onkel jetzt noch als Nachbarn, dann macht Martin Scheungraber zu. Bis dahin kommen noch Lieferungen von der Schreinerei in Österreich an, aber Neuaufträge nimmt Scheungraber nicht mehr entgegen. Mit schwerem Herzen gingen sie nicht, sagt der Besitzer: "Es gibt auch noch anderes im Leben."

Scheungrabers Neffe Sebastian Mayer bleibt mit seiner Polsterei auf dem Grundstück in Ottobrunn. (Foto: Claus Schunk)
© SZ vom 17.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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