Kirchheim:Die Post geht ab

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Donnerstags findet in der Dorfmitte ein Wochenmarkt statt. Sonst sei zu wenig los, seit die Post geschlossen hat, klagt Buchhändlerin Sabine Günther. (Foto: Catherina Hess)

Seit man in der Kirchheimer Ortsmitte keine Briefmarken kaufen und keine Pakete mehr aufgeben kann, verzeichnen die Geschäftsleute dort einen Rückgang der Laufkundschaft. Die Pläne für eine Belebung finden sie nur zum Teil gut.

Von Christina Hertel, Kirchheim

Zwei Parkbänke stehen mitten im Kirchheimer Ortskern beim weißblauen Maibaum. Sie sind leer und vermutlich werden sie es auch bleiben. Denn wer sich dort hinsetzt, sieht hauptsächlich Autos und hört nichts anderes, als Reifen über das Kopfsteinpflaster rattern. Die Kirchheimer Ortsmitte am Pfarrer-Caspar-Mayer-Platz ist momentan nichts anderes als eine große Kreuzung mit dem Maibaum in der Mitte, mit ein paar Blumenkübeln, ein paar Pollern und zwei Parkbänken daneben.

Wirtschaftsförderer Tobias Schock würde diesen Zustand gerne ändern. Er will Fahnen, Beleuchtung, Sitzlandschaften, eine Vinothek, eine Eisdiele, Wlan und eine Sommerbühne für Kleinkunst und Kasperltheater. Der Grund für all diese Pläne: Ende Mai zog die Post aus Kirchheim weg, seitdem steht das Gebäude leer und manche Geschäftsleute klagen: Der Umsatz sei nicht mehr so hoch; die Kundschaft fehle, weil sich die Kirchheimer nun gar nicht mehr in ihre Mitte bewegen würden.

Gähnende Leere: Seit die Post geschlossen hat, fehlt die Laufkundschaft. (Foto: Catherina Hess)

Eine, der das auffiel, ist Sabine Günther, die seit fast zwanzig Jahren in der Ortsmitte einen kleinen Buchladen führt, mit weißen Regalen und kleiner Sitzecke. Dass die Post fort sei, "ist desaströs", sagt sie. Auch ihr Umsatz gehe zurück. Um wie viel möchte Günther nicht sagen. Fakt sei aber: Die Laufkundschaft werde immer weniger und der Verkehr immer mehr. Sie finde es gut, dass Schock aktiv werde. Auch wenn sich manche Vorschläge recht nach Berliner Hipstertum anhören. Im leer stehenden Postgebäude plant der Wirtschaftsförderer auf der einen Seite eine Weinbar, auf der anderen Seite eine Eisdiele, außerdem eine kleine Markthalle für lokale Produkte. Seine Getränke soll man am alten Postschalter bestellen können.

Wünscht sich wieder mehr Bewegung in der Kirchheimer Ortsmitte: Buchhändlerin Sabine Günther. (Foto: Catherina Hess)

Eine Vinothek für abends sei nett, sagt Buchhändlerin Günther. "Aber wir brauchen tagsüber einen Frequenzbringer am Ort." Eine Arztpraxis zum Beispiel, einen Mehrgenerationentreffpunkt oder eben eine Eisdiele. Günther ist 57 Jahre alt und sagt, sie sehe es als ihre Pflicht an, dass der Laden noch viele Jahre besteht - weil sonst der Ortskern ganz auszusterben drohe.

Einige Häuser weiter: Der einzige Kunde, der innerhalb von 20 Minuten in Amina Engins Modeladen kommt, ist ein junger Mann mit Dreitagebart und einem Paket unter dem Arm. Er will sich keine Blusen ansehen, sondern wissen, wo die Post hin ist. Heute der dritte, sagt Amina Engin, eine Frau mit kurzem roten Haar. In München betreibt sie ein zweites Geschäft, das den Laden in Kirchheim rette. Um ihre Existenz bange sie trotzdem nicht. "Ich kann mich nicht beschweren." Aber vorstellen könne sie sich tatsächlich, dass sich mehr Leute in ihren Laden verirren würden, wenn der Dorfplatz insgesamt etwas schöner sei. Erst neulich sei Wirtschaftsförderer Schock bei ihr gewesen und habe angeregt, dass sie den Teppich austauscht, auf dem außen vor dem Laden Kleiderständer stehen. Er ist grün, faltig und ein bisschen dreckig. "Er hat recht. Das mache ich jetzt."

Schock will auch, dass das Erscheinungsbild der Lokale und Cafés einheitlicher wird - mit gleichen Sonnenschirmen, Fahnen und Schaufenstern. So ähnlich wie in einem "Kaufhaus unter freiem Himmel" soll der Besucher merken, dass alles zusammengehört. "Eigentlich mag ich die Sachen schon lieber so machen, wie ich will", sagt Beate Huber, sie betreibt eine Metzgerei in der Ortsmitte. Nach einer kurzen Pause fügt sie an: "Außer es wäre geschmackvoll. Wenn's mir gefällt, gebe ich auch Geld dafür aus." Prinzipiell halte sie es für gut, wenn die Ortsmitte schöner würde. Doch sie sei dagegen, dass das Areal zur Fußgängerzone werde. Und genau das hat Schock angedeutet. Der Autoverkehr, sagte er, in einer Gemeinderatssitzung im Juni, solle dort keinen Vorrang mehr haben. Einen Teil des Platzes möchte er ganz für den Verkehr sperren lassen. Metzgereiinhaberin Huber ist bei diesen Plänen skeptisch: "Ich wäre ja auch dafür, dass die Menschen mit dem Rad zum Einkaufen fahren. Aber sie kommen eben mit dem Auto. Also müssen die Zufahrten zu den Geschäften gut sein." Deshalb hoffe sie, dass auch die Parkplätze erhalten bleiben. Und besonders wichtig aus ihrer Sicht: Es müsse wieder ein Geldautomat der Postbank her.

Prinzipiell sind sich die Kirchheimer Geschäftsleute einig: Sie finden es gut, dass sich etwas verändern soll. "Die Leute haben so viel gemeckert. Aber kaum jemand ist selbst aktiv geworden", sagt Buchhändlerin Günther.

© SZ vom 13.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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