Oberschleißheim:Zurück auf dem Boden

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Elly Beinhorn flog mit 24 Jahren in einer gebrauchten Propellermaschine nach Afrika und umrundete später die Welt. Sie war eine der Pionierinnender Fliegerei. Heute dominieren wieder Männer die Cockpits der Airlines. Vorschau auf eine Ausstellung in der Flugwerft Schleißheim

Von Ralf Krüger (dpa)und Bernhard Lohr, Oberschleißheim

Mit 24 machte sich Elly Beinhorn auf zu ihrem ersten Afrikaflug. Sie hob 1931 ab in einer gebrauchten Klemm K1 26, um mit einem österreichischen Forscher Luftaufnahmen für eine Expedition in Westafrika zu machen. Sie erlebte auf Safaris eine faszinierende fremde Welt und überstand technische Pannen, Sandstürme und Heuschreckenplagen. Wegen einer gerissenen Benzinleitung musste sie auf dem Rückflug notlanden und war tagelang vermisst, tauchte erst nach einem strapaziösen Fußmarsch nach Timbuktu wieder auf. Die Totgeglaubte wurde weltberühmt. Es folgte ein erfülltes Leben. Im Jahr 2007 starb Beinhorn mit 100 Jahren in Ottobrunn.

Elly Beinhorn und andere Frauen eroberten gegen Vorurteile und Bedenken ihren Platz im Cockpit. Beinhorn war keine singuläre Erscheinung. Die Ausstellung "Fliegen zwischen Traum und Wirklichkeit: Weibliche Piloten in der Geschichte der Luftfahrt", die derzeit im Haus der Wissenschaft in Bremen zu sehen ist, - und im Frühjahr 2017 in der Flugwerft in Oberschleißheim gastiert -, zeichnet das Leben der Frauen nach, die nach der Jahrhundertwende als Pionierinnen der Luftfahrt Furore machten und ein Selbstbewusstsein an den Tag legten, das hinter dem der fliegenden Männer in nichts zurückstand. Sie waren auch Vorreiterinnen einer Debatte über Gleichberechtigung, die erst Jahrzehnte später zu echten gesellschaftlichen Veränderungen führten. Dass das Fliegen heute eine Männerdomäne ist, erscheint rückblickend wie ein Witz der Geschichte.

Als Elly Beinhorn am 29. April 1931 nach Deutschland zurückkehrte, wurde sie von einem Ehrengeschwader empfangen. Später kommentierte sie ihr Abenteuer trocken: "Was hatte ich aus Afrika mitgebracht? Einen gewissen Abstand zu vielen Dingen, die mir früher ungeheuer wichtig erschienen und eine Sehnsucht nach neuen Reisen in fremde Länder." Diese sollten folgen. Beinhorn umrundete mit dem Flugzeug die Welt und erzielte Rekorde mit Langstreckenflügen. Im Nationalsozialismus galt sie als Vorzeigefrau. Der Partei trat sie nicht bei, Politik interessierte sie angeblich nicht. Im Jahr 1991 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz.

Nicht weniger dramatisch verlief das Leben der 1886 geborenen Melli Beese, die zunächst in Stockholm Kunst studierte. Als sie von den Flugversuchen der Gebrüder Wright hörte, war sie von der Fliegerei fasziniert. Doch sie musste sich einige Jahrzehnte vor einer Elly Beinhorn als Frau erst durchsetzen. Am Prüfungstag für ihren Pilotenschein sabotierten männliche Mitschüler ihr Flugzeug. Doch es war vergebens. Beese erhielt 1911 mit 25 Jahren ihren Flugschein, gründete nach mehreren Schauflügen ihre eigene Flugschule und baute eigene Modelle. Mehrere Patente über ein zerlegbares Flugzeug, ein Wasser- und ein Leichtflugzeug meldete sie an. Im Ersten Weltkrieg geriet die mit einem Franzosen verheiratete Beese zwischen die Fronten. Nach dem Krieg konnte sie nicht mehr Fuß fassen und beging Selbstmord. Sie ging als erste deutsche Motorpilotin in die Geschichte der Luftfahrt ein.

Die Ausstellung stellt Biografien wie die von Beinhorn, Beese, Thea Rasche und Hanna Reitsch ins Zentrum. Sie versucht Antworten darauf zu geben, was die Frauen bewegte, ihren Traum vom Fliegen zu verwirklichen. Wie gingen sie damit um, wenn ihnen Steine in den Weg gelegt wurden? Wie ließen sie sich für das herrschende System instrumentalisieren? Und was hat sich bis heute für Pilotinnen geändert? Der Anteil von Frauen unter den Verkehrspiloten ist heute gering. Auf gerade mal drei Prozent schätzt ihn die internationale Pilotinnengesellschaft ISA+21. Bei der Lufthansa liegt er 30 Jahre nach dem Ausbildungsbeginn ihrer ersten weiblichen Flugschüler mit sechs Prozent immerhin darüber: Im Konzern mit seinen Töchtern arbeiteten Mitte des Jahres 417 Co-Pilotinnen und 114 Kapitäninnen. In Bremen, wo die Ausstellung aktuell zu sehen ist, hat die Airline mit dem Kranich am Leitwerk ihre traditionsreiche Verkehrsfliegerschule.

Doch dort offenbart sich auch, wie nah Glanz und Elend in der Fliegerei beieinander liegen. Airlines wie die Lufthansa ziehen sich zumindest finanziell aus der Pilotenausbildung zurück: Flugschüler müssen ihre Ausbildung künftig komplett selbst bezahlen. Bei der Lufthansa weist man freilich darauf hin, dass es für den noch relativ niedrigen Frauen-Anteil im Cockpit mitnichten geschlechtsspezifische Gründe gibt. "Es ist einfach so, dass sich mehr Männer als Frauen bewerben", sagt Lufthansa-Sprecher Helmut Tolksdorf. Ein Ausschlusskriterium ist heute höchstens noch die Mindestgröße von Bewerbern, und die gilt für Frauen wie Männer gleichermaßen. Genauso wie die Tatsache, dass Lufthansa aktuell gar keine Bewerber annimmt.

© SZ vom 09.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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