Oberschleißheim:Vom Rand in die Mitte

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Das Hans-Scherer-Haus in Oberschleißheim bietet wohnungslosen und suchtkranken Männern seit vielen Jahren eine Perspektive. Jetzt wurde die Einrichtung des Katholischen Männerfürsorgevereins für drei Millionen Euro um 16 Appartements erweitert

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Mittenheim, das war mal eine Wallfahrtsetappe auf dem fürstlichen Pilgerweg von Schloss Schleißheim aus. Rund 80 Jahre lang ein Kloster, danach kurzzeitig eine Stahlfabrik und über Jahrzehnte ein landwirtschaftliches Anwesen. Mitte der Fünfzigerjahre kam dann "so ein Stadtkaplan aus München", wie die Ortsansässigen lästerten, und kaufte das Gut Mittenheim am nördlichen Ortsrand von Oberschleißheim für den Verein, für den er arbeitete: den Katholischen Männerfürsorgeverein. Der errichtete hier, fernab auf dem Land, einen "Jugendhof" für besonders schwierige Jugendliche.

Damit wurde vor 60 Jahren das vorerst letzte Kapitel in der wechselvollen Geschichte von Klause, Kloster und später Gut Mittenheim eingeleitet. Ein besonders glänzendes. Eine große Neubaumaßnahme am Gut nahm der Männerfürsorgeverein am Donnerstag zum Anlass für eine umfassende Feier. Zusammen mit der Eröffnung der Neubauten wurden der 300. Jahrestag der Grundsteinlegung für das Franziskanerkloster und der Beginn der Tätigkeiten des Männerfürsorgevereins vor 61 Jahren gefeiert.

Nach mehreren Umwidmungen ist das 1982 nach dem ehemaligen Vereinsvorsitzenden benannte Hans-Scherer-Haus heute eine Facheinrichtung für die sozialpädagogische Betreuung und Unterstützung sowie die therapeutische Begleitung von allein stehenden Männern, die gesellschaftlich ausgegrenzt, wohnungslos und suchtkrank sind. In speziellen Betrieben des Hauses wie einer Fahrradwerkstatt, einer Sanierungsschreinerei oder einer ökologischen Landwirtschaft werden die Männer wieder an strukturierte Tätigkeiten und an das Erwerbsleben herangeführt.

Für den Hofladen dieses Landwerks wurde unmittelbar an der Straße zwischen Ober- und Unterschleißheim ein neues Gebäude geschaffen mit den nötigen Betriebsräumen. Außerdem wurde die ehemalige Verwalterwohnung des Gutes saniert und zu 16 Appartements umgebaut. In diesen Wohnungen können die Männer des Hans-Scherer-Hauses "realitätsnah auf ein selbständiges Leben nach dem Verlassen der Einrichtung vorbereitet werden", wie Hausleiter Rüdiger Balghuber sagte. Drei Millionen Euro hat der Männerfürsorgeverein in die Baumaßnahmen gesteckt, 1,2 Millionen Euro davon hat das Erzbischöfliche Ordinariat zugeschossen. "Eine Wohnung zu haben, gehört zu den Grundrechten", sagte Kardinal Reinhard Marx in seiner Festpredigt zur Eröffnung der Feierlichkeiten. "Deswegen ist es wichtig, dass wir Wohnungen bereitstellen für die Notleidenden, die eingegliedert werden müssen." Bezirkstagspräsident Josef Mederer ergänzte: Zwar würden in vielfältigen Einrichtungen wie in Mittenheim Menschen begleitet, damit sie "wieder Boden finden", aber der letzte Schritt in die Normalität scheitere derzeit am Mangel an bezahlbarem Wohnraum.

Landrat Christoph Göbel (CSU) würdigte das Hans-Scherer-Haus. Eine blühende Region wie der Landkreis München biete erst dann ein ungetrübtes Bild, wenn alle Menschen ihre Perspektive hätten. Bürgermeister Christian Kuchlbauer (Freie Wähler) erinnerte daran, dass die Akzeptanz der Erziehungsanstalt anfangs nicht groß gewesen sei in Oberschleißheim. Mittlerweile aber habe die "sehr gute und integrierte Einrichtung ihren Platz in der Mitte von Oberschleißheim gefunden". Auch wenn sie den Ortsrand markiert.

Das Haus habe "nachhaltig und mit hoher Verantwortlichkeit zur Gestaltung Mittenheims beigetragen", resümierte Ludwig Mittermeier, der Vorsitzende des Männerfürsorgevereins. Investitionen wie in die Appartements belegten, dass kirchliche Einrichtungen "einen wesentlichen Beitrag zur sozialen Infrastruktur leisteten", sagte er.

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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