Oberschleißheim:Polizei beendet Kaffeefahrt

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Dank eines Hinweises überredet die Polizei in Oberschleißheim einen Bus voller Rentner zur Umkehr

Von Gudrun Passarge, Oberschleißheim

"Frühlingsschlemmerfahrt". Das klingt gut, genauso wie ein kostenloses Mittagessen oder die Aussicht auf Geldgewinne. Doch hinter solchen Angeboten verbergen sich meist sogenannte Kaffeefahrten, die darauf abzielen, Senioren möglichst viele Produkte zu überhöhten Preisen anzudrehen. Einer aufmerksamen Rentnerin ist es nun zu verdanken, dass eine Ausflugsfahrt im nördlichen Landkreis von der Polizei Oberschleißheim verhindert wurde.

Die Beamten warteten an der Haltestelle und klärten die erwartungsvollen Teilnehmer darüber auf, mit welchen Methoden die Veranstalter arbeiten. Daraufhin verzichteten diese auf die "Schlemmerfahrt", ebenso wie die 20 Businsassen, die bereits vorher im Münchner Umland zugestiegen waren. Nach freundlichen Überredungskünsten der Polizeibeamten erklärte sich sogar der Busfahrer bereit, die Enttäuschten wieder nach Hause zu fahren.

Nach einigen Jahren Ruhe scheinen die Veranstalter solcher Kaffeefahrten wieder aktiver zu sein, so der Eindruck der Oberschleißheimer Polizei. Die Masche ist dabei immer gleich: Senioren werden gezielt angeschrieben, häufig sind ihre Adressen von Preisausschreiben bekannt. Die Veranstalter werben mit Obstkörben und Fresspaketen, tatsächlich bringen sie die Senioren meist in abgelegene Gasthäuser ohne öffentliche Anbindung. Dort versuchen speziell geschulte Moderatoren die Ausflügler in einem mehrstündigen Verkaufsmarathon von der besonderen Wirksamkeit verschiedener Produkte zu überzeugen, die mal heilen, mal lebensverlängernd wirken sollen oder einfach gut ins Leben älterer Menschen passen.

Viele lassen sich tatsächlich darauf ein. Wie ein 90-Jähriger, der laut Oberschleißheimer Polizei dieses Mal nur mitfahren wollte, um das Geschäft rückgängig zu machen, das er vor Wochen zuvor bei einer anderen Fahrt abgeschlossen hatte. Der Mann, der an Diabetes leidet, vertraute den Behauptungen, wonach eine Mikronährstoffkombination und ein Aloe-Vera-Pflanzensaft gut für ihn seien und blätterte laut Polizei 5000 Euro für das Paket hin.

Doch der Rentner hatte nicht nur Geld verloren: Sein Zustand verschlechterte sich, er musste sich nach Einnahme des Präparats im Krankenhaus behandeln lassen. Die Polizei Oberschleißheim ermittelt in diesem Fall wegen Betrugs. Gegen den Veranstalter wurde außerdem Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit erstattet, denn Kaffeefahrten sind Verkaufsveranstaltungen, die den Behörden gemeldet werden müssen - was in diesem Fall unterblieb.

Für die Polizei ist es nicht einfach, die Betrüger zu überführen. Vor Jahren schon griffen die Oberschleißheimer Beamten deswegen zu einem außergewöhnlichen Mittel: Sie schleusten einen Mitarbeiter der Gemeinde bei einer Kaffeefahrt ein. Der habe alles dokumentiert, was in dem Gasthof passierte. Angeboten wurden etwa Präparate für 1700 Euro. Eine Internetrecherche der Polizisten ergab, dass das gleiche Produkt in Holland für 50 Euro zu erstehen ist. Ein Ermittlungserfolg, an den sich der stellvertretende Inspektionsleiter Thomas Köglmeier gerne erinnert: Die Kollegen hätten etliche unterschriebene Verträge sicherstellen können und damit eine Handhabe gegen die Veranstalter gehabt. Diese seien gefasst worden und hätten ein Verfahren wegen gewerbsmäßigen Betrugs am Hals.

Hinweise wie im jüngsten Fall helfen der Polizei, Betrügern das Handwerk zu legen. In den meisten Fällen jedoch zahlen die Teilnehmer teures Lehrgeld. Die Polizei rät daher, sich genau zu überlegen, ob man mitfahren wolle. Ein schöner Ausflug sehe anders aus - und er koste auch viel weniger.

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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