Oberschleißheim:Graßmalzeit und Feldkirchen am Kalvarienberg

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Der aufgeschüttete Kalvarienberg mit Jesus und der zwei Schächern gab dem Berglwald seinen Namen. (Foto: Robert Haas)

Die um 1600 errichtete Kreuzigungsszene ist seit zwei Jahrzehnten Ziel einer Fußwallfahrt

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Neun Kapellen hatte sich der bayerische Herzog Wilhelm ums Jahr 1600 in der Umgebung seines Landsitzes Schleißheim anlegen lassen, gleich einem Rosenkranz um das neue Altersrefugium des Fürsten. In einer Zeit bildmächtigen Glaubensausdrucks ließ er auch eine Kreuzigungsszene aufbauen, wofür er sich die Kapelle auf der kleinen Lichtung im heutigen Berglwald aussuchte. Annähernd 500 Jahre später hat der katholische Pfarrverband von Oberschleißheim die einstige Pilgertradition an der historischen Stätte wieder aufgenommen und zieht dort alljährlich am Gründonnerstag vom Gottesdienst zur Andacht in den Berglwald.

In der weithin ebenen Fläche ließ Wilhelm V. neben der Kapelle einen Hügel aufschütten; "zimblich hoch", beschrieb ein Besucher 1611 die Anlage, "oben hängt Christus und die 2 schächer am creuz, in brunzo gemacht". Das Waldstück, in alten Flurkarten schlicht "Schleißheimer Holz" genannt, hat seinen heutigen Namen "Bergl" erst von dem aufgeschütteten Kalvarienberg erhalten. In den Hügel wurde ein Keller eingelassen.

Und von einem "brünnlein mit röhrlen" wurden allerlei Wasserspiele gespeist, so ein Springbrunnen "mitten im berg" und nebenan eine symbolische Installation, wo "starckes wasser in der höhe mit ainer grossen kugel spiehlet". Und wie das Wasser, hergeleitet vom nahen Berglbach, so sprudelte und "heraußquellete, alhier hats wider eingefaste, grüne pläz". Auf denen hielt der Herzog "graßmalzeit und feldkirchen", Picknick und Gottesdienste unter freiem Himmel. Wilhelm V. pilgerte den in Luftlinie rund 15 Kilometer langen Weg entlang der neun Kapellen wohl gelegentlich.

Ein kulturgeschichtliches Kuriosum ist es, dass der Bayernherzog die Kapelle bei der Kreuzigungsszene im Berglwald dem Ignatius von Loyola widmete, dem Gründer des damals neuen Jesuitenordens. Denn Ignatius wurde erst mehr als 20 Jahre später heiliggesprochen. Das Altarbild der Schleißheimer Kapelle, das die Christus-Vision des Ignatius in La Storta von 1537 zeigt, ist damit wohl weltweit die älteste Kirchendarstellung des Ordens. Es ist erhalten und wird in der Bayerischen Staatsgemäldesammlung verwahrt.

Die Schleißheimer Szenerie wirft ein Schlaglicht auf die Politik Wilhelm V., der als Vorkämpfer der zu seiner Zeit einsetzenden Gegenreformation der stärkste Förderer des Jesuitenordens war. Unter anderem holte er den jungen Orden nach München, wo er ihm die Michaelskirche und das Kloster in der heutigen Fußgängerzone baute. Die Ignatiuskapelle im Berglwald wurde später noch ausgebaut und erhielt zwei Seitenaltäre für die Jesuitenheiligen Franz Xaver und Franz von Borgias.

Ihr war wie allen neun Schleißheimer Kapellen eine Klause angegliedert, wo Eremiten die regelmäßigen Messen lasen und das Haus unterhielten. Die im Berglwald war so groß, dass während der Bauzeit des nahen Franziskanerklosters neun Patres hier hausen konnten. In den aufgeschütteten Hügel unter der Kreuzigungsgruppe soll eine zweite Kapelle integriert gewesen sein, in der irgendwann eine Marienstatue aufgestellt worden sein soll. In der Folgezeit wurden die Kapellen ein Pilgerziel für Bittgänge um gutes Wetter.

Im "Kalender für Katholische Christen auf das Jahr 1856" steht in einer Ortsbeschreibung Schleißheims über den Kalvarienberg, er bestehe aus "drei Kreuzen, Christus mit den beiden Schächern, ursprünglich von Blei, dann von Holz in Lebensgröße". Offenbar wurde die Kreuzigungsgruppe also irgendwann in anderer Form erneuert.

Mit der Säkularisation, der Auflösung von Kirchengütern anfangs des 19. Jahrhunderts, war die Kapelle des Heiligen Ignatius Geschichte. Das Gebäude wurde abgetragen, die Steine wahrscheinlich anderweitig verwendet. Auf ihrer Ruine entstand ab 1806 eine Ausflugsgaststätte mit Biergarten, das "Bergl". In der Grotte unter dem Hügel kühlten die Wirtsleute ihr Bier. Die Kreuzigungsgruppe, 23 Stufen über Biergartenniveau, blieb erhalten.

Vor gut 20 Jahren hat der katholische Pfarrverband den Kalvarienberg wieder für sich erschlossen. Nach dem Abendmahlgebet und der rituellen Fußwaschung durch den Pfarrer geht es am Gründonnerstag über etwa drei Kilometer Fußmarsch in den Berglwald zum Kalvarienberg. Dort werden Fürbitten gelesen und Lieder gesungen. Peter Benthues, jahrelang Pfarrgemeinderatsvorsitzender, hat die Tradition eingeführt. "Man sieht sich ja praktisch als einer der Jünger, der diesen Weg auch geht", sagte er einmal, "und Jesu Leiden endet genau hier, am Kalvarienberg."

Die Messe in der Pfarrkirche Maria Patrona Bavariae in Oberschleißheim beginnt an diesem Donnerstag um 19 Uhr, von dort geht es gegen 20.30 Uhr zum Kalvarienberg, wo gegen 21 Uhr eine Ölbergandacht stattfindet.

© SZ vom 18.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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