Oberschleißheim:Bühne frei für die Verständigung

Lesezeit: 2 min

Der Struwwelpeter ist zerrissen, die jungen polnischen und deutschen Darsteller des Stücks bringt die gemeinsame Theaterarbeit zusammen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Deutsch-polnische Freundschaft: Schüler aus Krakau und Unterschleißheim führen in der Jugendbegegnungsstätte am Tower den Struwwelpeter auf

Polen und Deutsche haben es zur Zeit nicht leicht miteinander. Man stand sich politisch schon einmal näher. Nun hat ein deutsch-polnisches Treffen in Oberschleißheim eine Begegnung der besonderen Art ermöglicht: Eine Woche lang lebten 13 Neuntklässler des Carl-Orff-Gymnasiums in Unterschleißheim und 15 polnische Schüler aus Krakau in der Jugendbegegnungsstätte am Tower in Oberschleißheim und machten dort gemeinsam Theater.

Die Bildungseinrichtung hat sich als Ziel gesetzt, Jugendliche aus Deutschland und Gleichaltrige aus Osteuropa mittels kultureller Angebote einander näherzubringen. Gefördert wird der Austausch durch das Kulturzentrum vom Deutsch-polnischen Jugendwerk. Er fand dieses Jahr zum zweiten Mal statt. Jetzt waren die polnischen Schüler aus Krakau zu Gast, im Juli werden die Schüler des Unterschleißheimer Gymnasiums nach Polen reisen. Die Jugendlichen sind zwischen 14 und 17 Jahre alt, sie leben, kochen und proben bei ihren Begegnungen gemeinsam. Ziel ist, am Ende des Aufenthaltes ein zweisprachiges Theaterstück mit deutschen und polnischen Einflüssen auf die Beine zu stellen.

Vergangenes Jahr interpretierten die Teilnehmer des Programms die "Verwandlung" von Kafka, dieses Jahr brachten die Jugendlichen ihre Version des Struwwelpeters auf die Bühnentreppen am Tower in Oberschleißheim. In jeweils zwei gemischten Gruppen probten die 28 Schüler - am Vormittag drei Stunden und am Nachmittag vier. Am Ende entstand das gemeinsame Theaterstück. In Deutschland sei mehr Deutsch für die Zuschauer zu hören gewesen, in Polen sei es dementsprechend mehr Polnisch, sagt Michael Blum, Leiter des Projekts auf deutscher Seite. Der 48-Jährige unterrichtet Religion und Mathe am Carl-Orff-Gymnasium. Zudem konzipiert und betreut er seit Jahren die Theaterarbeit. Vor drei Jahren wurde er vom Leiter der Jugendbegegnungsstätte für das deutsch-polnische Projekt herangezogen. Jetzt leitet er eine der beiden deutsch-polnischen Theatergruppen. Für die andere ist ein polnisches Duo zuständig, ein Ehepaar, das am Kulturzentrum in Krakau Theaterunterricht erteilt. Im Vergleich zu anderen Theaterstücken setzt das europäische Team auf bildliches, assoziatives und bewegungsreiches Theater. Und an einigen Stellen wird auch mal auf Polnisch, dann auf Deutsch gesprochen - gelegentlich auch andersrum.

"Das Theater spielen macht den gemeinsamen Austausch intensiver, die Teilnehmer kommen sich dadurch relativ schnell nahe", sagt Blum. Theaterspiele und ein gemeinsames Abendprogramm sollen zudem Impulse geben, aufeinander zuzugehen. Um den polnischen Jugendlichen einen Eindruck der Stadt und des deutschen Theaters mitzugeben, machen sie unterschiedliche Ausflüge, so waren sie einen Tag in München und schauten sich auf dem Tollwood-Winterfestival auf der Theresienwiese ein Stück an. Wie die Schüler miteinander kommunizieren? Eher non verbal oder teilweise auf Englisch, da keiner der Teilnehmer die Sprache des Teilnehmers aus dem anderem Land beherrsche, sagt Blum. Allerdings wurde die Gruppe an bestimmten Zeiten von zwei Dolmetscherinnen betreut, die zur sprachlichen Verständigung der Schüler beitrugen.

Fünf Tage lernten die Schüler intensiv Texte, studierten Bewegungen ein und trainierten ihre Stimmen. Am Freitagabend war dann Aufführung. Die Neuntklässlerin Daria Stolyar erzählt: "Die anfängliche Zurückhaltung hat sich aufgelöst und viele Freundschaften sind während der letzten Tage entstanden. Es macht einfach unglaublich viel Spaß, gemeinsam Theater zu spielen."

© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: