Oberhaching:Vollblutjazz

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Drei gestandene Musiker finden zueinander und machen neu. Hier begleitet Martin Kälberer auf der Hang Stefanie Boltz von Le Bang Bang. (Foto: Angelika Bardehle)

Le Bang Bang und Martin Kälberer sind jeder für sich eine Hausnummer in der Jazz-Szene. Zwischen beiden hat es musikalisch gefunkt. Ihre Liebesgeschichte lassen sie in Oberhaching erklingen

Von Sabine Oberpriller, Oberhaching

Dass ein qualitativ hochwertiger Abend ansteht, ist schon beim ersten Lied zu bemerken. Denn zwar fehlt Sven Faller und seinem Kontrabass der Strom. Das aber fällt erst auf, als er danach den Techniker auf die Bühne bittet. Die Pause des Anstöpselns füllt er mit dem Anlass des Abends. Die Band betitelt ihn als musikalische Liebesgeschichte.

Auf der Bühne im Oberhachinger Bürgersaal stehen zwei Parteien, die beide schon vorher sehr eigenständige und herausstechende Hausnummern im Kammerjazzpop waren: Das ist zum Einen Martin Kälberer, stets unterwegs in unterschiedlichen Musikprojekten, aber besonders bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Werner Schmidbauer. Zum Anderen stehen da Stefanie Boltz und Sven Faller von Le Bang Bang, die in den vergangenen Jahren für ihre vielseitigen Interpretationen, die auch vor Nirvana nicht halt machen, von Kritikern berauschende Kommentare bekommen haben. Diese drei nun haben sich getroffen, um für eine Jubiläums-CD ihrer Plattenfirma einen gemeinsamen Song aufzunehmen. "Da hat es gefunkt", sagt Stefanie Boltz. "Und zwar richtig."

Es wurde nicht ein Song, sondern ein ganzes Album: "In our blood". Dieses stellen sie an jenem Donnerstagabend dem Oberhachinger Publikum vor. Der erste Strich mit dem Bogen auf dem nun mit Strom versorgten Kontrabass: Ein "Ah" geht durchs Publikum. Dann geht es los. Alle drei sind Virtuosen und bekannt dafür, mit wenig Ausstattung mitreißende Klangvariationen zu zaubern. "Herr Kälberer", wie ihn Kollege Sven Faller den ganzen Abend hindurch nennt, bespielt seinen Flügel mal klassisch, mal nutzt er ihn als Rhythmusgeber oder gar die Klaviersaiten als Hackbrett. In manchen Songs greift er zur Hang oder zu kurios geformten Handtrommeln. Eine davon sieht, je nachdem, wie er sie in die Höhe hält, nach einem Penis oder Raumschiff Enterprise aus, wird von den Musikern aber Snoopy genannt. Irgendwo zwischendrin findet sich immer noch ein Fuß, um eine Rassel zu bedienen.

Sven Faller produziert auf seinem Kontrabass Klänge, die sich zwischen melancholischem Streichen, Didgeridoo und aufgeweckt gezupften Jazz-Soli bewegen. Manchmal "schummelt" er mithilfe einer Loop Station einen zweiten virtuellen Kontrabass in den Hintergrund. Dazwischen Stefanie Boltz "am Gesang", mit einer Stimme, die wie immer perfekt alle Stufen zwischen laut und leise, zart und voll beherrscht, mal sehnsüchtig, mal mütterlich klingt. Man versteht, worüber sie singt, auch ohne Englischkenntnisse.

Das Thema Liebe zieht sich durch das Programm. Die Botschaft der Musiker an das nicht mehr ganz blutjunge Publikum: Wir haben in unseren eher späten Musikjahren zueinander gefunden. Ihr könnt auch in eurem Alter junge, zündende Liebe empfinden.

Was die Musiker meinen, wenn sie von Liebe sprechen und davon, dass es gefunkt hat, musikalisch natürlich, zeigt sich schnell an der Atmosphäre, die sie schaffen. Sie lassen sich vertrauensvoll in ihr selbst gewobenes Klangtuch fallen. Es wird zu einer Art vierter Kraft auf der Bühne, die sie empor federt. Selbstkomponierte Songs sind zu hören, überarbeitete Songs, aber auch solche anderer Künstler - über alle Genres verteilt. Aber ob Michael Jackson oder Schmidbauer: Am Ende klingt es wie "Le Bang Bang und Martin Kälberer".

Das Trio lässt den Songs Raum, sich zu entwickeln. Dabei wird aber die Stimmung nie sakral, was besonders Sven geschuldet ist. Neben Stefanie, die sich beim Singen im Dienste der Musik in eine Art höheres Wesen verwandelt und Kälberer, der sich in seine Musik versenkt, ist er derjenige, der einfach riesigen Spaß an seinem Instrument hat. Schon mit seinem Outfit kommt er sportlich daher, angefangen bei den leuchtorangen Turnschuhen.

Publikum und Band sind sich an diesem Abend einig: Spaß haben ohne sich dabei völlig zu verausgaben. Die rund 300 Leute im voll besetzen Bürgersaal sind nicht überschwänglich, aber gut gelaunt. Einige lassen sich dazu hinreißen, Songs mit Fingernagelticken auf dem Bierglas zu untermalen. Der Schlussapplaus fällt im richtigen Moment zu einem einheitlichen Takt, und die Kombo lässt sich nicht lumpen. Nach dem Motto "Kauf eins, nimm zwei" spielen sie nicht nur eine, sondern zwei Zugaben und beschließen den Abend mit einer bezaubernden Version von Cindy Laupers "Time after Time".

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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