Oberhaching:Virtuose Jagden über Höhen und Tiefen

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Dem Kammerorchester Oberhaching gelingt im Klettergarten Gleißental mit großartigen Solisten ein rasantes und humorvolles Konzert, an dem sogar der Waldkauz seine Freude hätte - mit einer Ausnahme

Von Udo Watter, Oberhaching

Das Rauschen der Wipfel, das Murmeln der Bäche, vielleicht das Klopfen des Spechts oder im Herbst das Röhren brünstiger Hirsche - der natürliche Klang des Waldes ist vielfältig und weckt oft romantische Anwandlungen. Das Instrument, welches dieser Wirkung am nächsten kommt, ist wohl das Horn, früher gern auch als Waldhorn bezeichnet.

So war es denn passend, wie zum Konzertauftakt im Klettergarten Gleißental die Melodiebögen des Horns über die Nagelfluh-Wände aufstiegen, die warmen Klangfarben weich zwischen die hohen Bäume flossen. Dorothea Bänder, Ensemblemitglied des Staatstheaters am Gärtnerplatz, spielte eindrucksvoll den Solopart von Mozarts Hornkonzert Nr. 2 in Es-Dur, begleitet und im versierten Dialog mit dem Kammerorchester Oberhaching unter Leitung von Gerold Huber. Dem Allegro, dem die reizvoll-luftige Anmut vieler Mozart-Werke innewohnte, folgte ein "Andante", in dem Bänder ein kantables, dunkles Timbre entfaltet. Im Finale schließlich wechselten virtuose Jagden über Höhen und Tiefen inklusive vogelartiger Violin-Intermezzi mit profunden Solo-Brass-Momenten ab, in denen das Horn fast tuba-artige Charakteristik entbreitete. Ein wenig Humor ist bei Mozart fast immer dabei.

Dass Ricarda Geary, die bereits 2017 Henry Purcells Semi-Oper "The Fairy Queen" im Klettergarten inszenierte und jetzt auch dieses Open-Air-Konzert federführend initiierte, ebenfalls über Humor verfügt, wissen die Besucher ihrer Opern-Vorstellungen. Die gut 80 Besucher, die in der idyllischen Felsenkulisse nahe Oberhaching Platz gefunden hatten - mehr waren pandemiebedingt nicht möglich - durften sich auch diesmal über ein paar hübsche Einfälle freuen. Der zweite Programmpunkt war Händels Semi-Oper (oder Masque) "Acis und Galatea", aus der halbszenische Auszüge präsentiert wurden. Neben dem Kammerorchester kam nun auch der Kammerchor Oberhaching zum Einsatz.

Geary, die zu Beginn als Violinistin mitwirkte, übernahm jetzt das Dirigat, zudem waren die drei Gesangssolisten Hannah Rabl (Sopran), Michael Dietrich (Tenor) und Ludwig Pichler (Bass-Bariton) gefordert. Letzterer, dem Oberhachinger Publikum durch viele Auftritte bekannt, agierte in der Rolle des einäugigen Zyklopen Polyphem, der auf das verliebte Paar, die Nymphe Galatea (Rabl) und den Hirtenknaben Acis (Dietrich), mächtig eifersüchtig ist. Pichler hatte die Gelegenheit, seine baritonale Klasse in einigen emotionalen Szenen zu zeigen ("O Schmach, mich packt die Wut"). Kurz darauf beendete er in einem dramatischen Gewaltakt den sängerischen Süßholz-Dialog der jungen Liebenden. Dem Mythos nach erschlägt Polyphem den jungen Acis mit einem Stein, und das wurde auch in Oberhaching angemessen inszeniert: Finbarr Geary, der schon vorher zwei kurze szenische Auftritte als Nummernboy hatte (und die Schilder "Akt I" und "Akt II" durchs Bild trug) oblag es, diesen Mord mit einem Fels-Requisit zu vollziehen: Nachdem Michael Dietrich sein Schmunzeln ob der tragikomischen Attacke in den Griff bekam, fiel er angemessen theatralisch.

War das schon Monty-Python-artig, steigerte sich die Inszenierung in dieser Hinsicht noch: Der Legende verwandelt die Nymphe Galatea das strömende Blut des Knaben in einen Fluss, was Gerold Huber in seiner Einführung als feine erotische Idee bezeichnet hatte: "Sie kann immer in ihm baden." Nun, um in Oberhaching diese Entwicklung optisch klar zu machen, wurde ein künstlicher Grabstein mit der Aufschrift "Acis: gestorben 29. Juli 2021" platziert. Als dann Rabl, die sich stimmlich nicht ganz so kräftig entfaltete wie ihre beiden männlichen Pendants, als Galatea ausgetrauert und die zauberhafte Metamorphose eingeleitet hatte, spritzte es springbrunnenartig aus dem Grabstein - auf dessen Rückseite war offensichtlich eine Düse angebracht und im Hintergrund pumpte Finbarr Geary, der Sohn der Initiatorin, Wasser durch einen Schlauch.

Jenseits dieser amüsanten Szenen war auch die musikalische Darbietung gelungen - obgleich die akustische Wucht und Klanghomogenität des Chores natürlich ein wenig unter den Open-Air-Bedingungen und der luftigen Aufstellung litt. Das Kammerorchester, in dem einige individuell herausragende Instrumentalisten mitwirkten, zeigte seine Klasse noch mal bei Händels "Wassermusik" zum Abschluss. Auch da war zwar nicht alles perfekt, aber Gerold Huber, der sein Ensemble immer wieder zu dynamischen Feinheiten animierte, durfte am Ende zu Recht strahlen.

Nach einer Zugabe war dann freilich Schluss, auch aus Rücksicht auf die tierischen Waldbewohner: Wie der unter den Zuschauern weilende Oberhachinger Bürgermeister Stefan Schelle am Ende erklärte, lebt nahe dem Klettergarten ein Waldkauz. Und der möge zwar Instrumente (wie etwa das Horn oder die Klarinette), aber keinen Applaus.

© SZ vom 31.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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