Oberhaching:Mut im Jahr des Feuer-Affens

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In seiner Neujahrsansprache kritisierte Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle die Politiker: "Es geht ein Riss durch unser Land." (Foto: Angelika Bardehle)

Bürgermeister Stefan Schelle bemüht nicht nur das chinesische Horoskop, er plädiert auch für eine engagierte Diskussion über Gemeinschaft und Werte

Von Iris Hilberth, Oberhaching

2016 ist das Jahr des Feuer-Affens. Spätestens seit dem Neujahrsempfang am Donnerstagabend im Rathaus weiß man das auch in Oberhaching. Selbst wenn die oberbayerische Gemeinde sonst vielleicht nicht so viel mit chinesischen Horoskopen am Hut hat, zumindest deren Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) kann durchaus plausibel darlegen, warum der Feuer-Affe - bei den Chinesen übrigens ein Symbol für witzig, smart, erfindungsreich und raffiniert - durchaus nach Oberhaching passt und vor allem interessant für das neue Jahr ist. Das Tier sei zwar von der Deutung her etwas schwierig, räumte Schelle ein, aber es biete sich in dessen Sinne an, "geschickt und flexibel zu sein, durchaus auch eigensinnig und streitbar, aber immer in dem Bewusstsein, nur miteinander etwas bewegen zu können."

Schelle ist ein geschickter und unterhaltsamer Redner, und dem launigen Einstieg mit der Schelleschen Deutung des Feuer-Affens folgte eine flammende Rede für "viel Mut und Miteinander" , dafür "ein paar Sachen gerade sein zu lassen", einfach mal gelassen zu bleiben und sich das bayerische Lebensgefühl vom "leben und leben lassen" zu vergegenwärtigen. Es war ein eindringlicher Appell des Bürgermeisters an seine Bürger, "in einer wirklich gefährlichen Ausnahmesituation" miteinander ins Gespräch zu kommen und miteinander im Gespräch zu bleiben. "Wir müssen zuhören und diskutieren, auch wenn es anstrengend ist und nicht immer erfolgreich."

Schelle sieht viel Redebedarf, denn die wenigsten hätten vor zwei, drei Jahren die Entwicklung vorhergesehen, sagt er. Weder die Auflösung ganzer Staatensysteme rund ums Mittelmeer, noch die Eskalation der Bürgerkriege, Terroraktivitäten und den "ungebremsten Flüchtlingsstrom", mit dem etwa 150 Flüchtlinge in der Woche in den Landkreis München kämen.

"Es geht ein Riss durch unser Land", sagte Schelle. Man könne den Eindruck gewinnen, dass es nur noch Gutmenschen - so das Unwort des Jahres - und Rechtsradikale gebe und die demokratisch gewählten Parteien in den Parlamenten nicht zu einem gemeinsamen, konstruktiven Diskurs fänden, sondern im Klein-Klein und in den parteipolitischen Reflexen verhaftet blieben. Er ging sogar noch weiter in seiner Kritik an den Politikern auf höheren Ebenen: "Manchmal stellt man sich die Frage, ob die Ausnahmesituation wirklich schon alle Mandatsträgern bewusst ist, und manchmal wundert man sich auch, dass sich die etablierten, demokratischen Parteien dann auch noch wundern, dass sich die Menschen anderen Gruppierungen zuwenden, die nicht dem demokratischen Spektrum angehören."

Dass seit Neujahr noch verstärkt die Frage gestellt werde, ob unser Staat, unser Gemeinwesen noch funktioniere, sei eine "ganz gefährliche Entwicklung". Wenn man das Gemeinwesen nicht brauche, stehe man auch nicht mehr dahinter und engagiere sich nicht. Der Bürgermeister betonte:"Es ist mir heute wirklich wichtig, dass wir uns nicht auseinanderreißen lassen." Daher fordert Schelle "Mut" von seinen Bürgern. Dazu zählt er den Mut zur Souveränität, zur Leistungsfähigkeit sowie zur Gemeinschaft und zu Werten. Aber auch den "Mut zuzugeben", was Angst mache. "Wir dürfen der Diskussion nicht aus dem Weg gehen", sagte er. Man müsse zugeben, keine schnellen Lösungen zu haben und Mut haben, realistisch Dinge zu benennen, Meinungen zu hinterfragen und zu ändern.

© SZ vom 16.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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