Oberhaching:Hirn für alle oder nichts

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Tritt gern in Bayern auf: Thomas Schreckenberger. (Foto: Veranstalter)

Kabarettist Thomas Schreckenberger, am Sonntag in Oberhaching zu Gast, über den Niedergang des Denkens und der Streitkultur

Interview von Anna Majid, Oberhaching

Fake News, Populismus und Trump: Da fragt sich mancher, wo denn die Vernunft geblieben ist. So auch der Kabarettist Thomas Schreckenberger in seinem aktuellen Programm "Hirn für alle". Der Gewinner des Kleinkunstpreises Baden-Württemberg ist auch auf bayerischen Bühnen daheim: Am Sonntag, 17. März, tritt er im Bibliothekssaal in Oberhaching auf. Im Interview erklärt er, warum wir unser Denken immer weiter abschalten und wie er das ändern will.

SZ: In der Beschreibung zu ihrem Programm "Hirn für alle" stellen Sie fest, es sei "höchste Zeit, eine neue Ära der Vernunft einzuläuten". Wie meinen Sie das?

Thomas Schreckenberger: Wenn man sich die Welt gerade anguckt - als Beispiel Donald Trump - dann denkt man: So etwas kann doch eigentlich gar nicht möglich sein. Auch in Europa sind sehr viele Populisten an der Macht. Oder der Umgang mit sozialen Medien im Alltag: dass viele Leute gar nicht mehr direkt miteinander kommunizieren, sondern nur noch über Geräte. Das sind ein paar Beispiele.

Sie sagen, wir hätten das Denken "outgesourcet", ließen es etwa von Apps erledigen. Welche App hilft Ihnen im Alltag?

Ich habe natürlich auch ein Smartphone und Apps. Es ist praktisch, wenn man die Bahnverbindung nachgucken kann oder die Wetter App mir sagt, wie das Wetter ist an dem Ort, wo ich gerade bin. Früher musste man dafür aus dem Fenster schauen. Die App "Is it dark outside?" sagt einem, ob es draußen hell oder dunkel ist. Das sind natürlich sehr große zivilisatorische Fortschritte, dass wir das nicht mehr selbst erledigen müssen (lacht).

So auch ihre These: "Wir haben unser Hirn abgeschaltet." Sie sind ehemaliger Lehrer. Wie kann man das ändern?

Das ist natürlich alles kabarettistisch überspitzt, aber die Tendenz ist da. Ich bin jetzt seit zwölf Jahren raus aus der Schule. Gerade die Welle der Smartphones, die auch die Schulen verändert hat, habe ich nicht mehr miterlebt. Frühere Kollegen von mir sagen aber, dass das schon ein Thema ist. Kinder - und auch Erwachsene - übernehmen heute vieles aus dem Internet eins zu eins. Sich darauf zu verlassen, was die neuen Medien einem liefern, ist gefährlich.

Wie gehen Sie als Familienvater dieses Problem an?

Ich schränke zu Hause ungebremsten Internetkonsum ein, ohne es zu verteufeln. Ich versuche, ein gutes Maß zu finden und den Kindern klar zu machen: Überlegt, ob das alles stimmen kann und ob man nicht noch weitere Quellen heranzieht.

Sie haben vor zwölf Jahren dem Lehrerberuf den Rücken zugewandt und sich ganz der Bühne gewidmet. Wie kam es dazu?

Ich habe seit meinem Studium hobbymäßig Kabarett gemacht und auch während der Lehrerzeit. Seit 2003 bin ich als Solist aufgetreten. Das wurde dann immer mehr. Es ist natürlich schön, wenn die Leute, die zu einem kommen, Eintritt zahlen, gut gelaunt sind und am Ende noch eine Zugabe wollen. Das war in der Schule eher selten der Fall. Dann dachte ich: Jetzt probiere es einfach mal. Glücklicherweise hat es funktioniert mit dem Kabarett als Hauptberuf.

I nwieweit ist der ehemalige Lehrerberuf hilfreich auf der Bühne?

Mich kann nichts mehr schockieren. Ich habe in der Schule jedes schwierige Publikum kennengelernt. Die zwei Dinge haben auch gewisse Parallelen: Als Lehrer muss man nicht immer der Entertainer sein, aber es hilft schon, wenn der Unterricht nicht trocken ist. Die Scheu, vor Menschen aufzutreten und ihnen etwas vermitteln zu wollen, hatte ich nie.

Sie haben sich schon früh, nämlich bereits mit 17 Jahren, dem politischen Kabarett zugewandt. Welchen Politiker parodieren Sie am liebsten?

Was sich noch so hergibt. Das Problem im Moment ist: Wen kann man noch parodieren? Gerade im politischen Bereich wird die Auswahl immer begrenzter, weil die Typen fehlen. Früher waren die Politiker nicht so vorbereitet und gecoacht. Kretschmann ist etwa sehr dankbar, weil er sich nicht darum schert, wie er rüberkommt. Er ist so, wie er ist und redet auch so. Die neue Generation, ein Lindner, da wird es schon schwieriger, noch etwas rauszuziehen.

I n Ihrem ersten Soloprogramm "Deutschland für Anfänger" 2003 haben Sie Ihren Zuschauern erklärt, was Deutschland ist. Derzeit versuchen Populisten, genau diese Frage zu beantworten. Welche Antwort geben Sie darauf heute?

Das Problem ist, dass es heute keinen gesellschaftlichen Konsens mehr gibt. Früher hat man sich auch politisch gestritten, aber man hatte eine gemeinsame Basis. Speziell seit dem Aufkommen des Populismus und der Zersplitterung der Parteienlandschaft sind Parallelwirklichkeiten entstanden. Fakten werden, obwohl beweisbar, einfach negiert. Man kann heute gar nicht mehr von einer Gesellschaft sprechen, wir haben mittlerweile sehr viele. Auch die durch Algorithmen entstehenden "Filterbubbles" in sozialen Netzwerken führen dazu, dass man immer nur das vorgesetzt bekommt, was man schon kennt. So entstehen Verschwörungstheorien.

In Ihrem aktuellen Programm fordern Sie, dass sich das ändert.

Ich kann ja nur einen kleinen Teil dazu beitragen. In erster Linie sehe ich mein Programm als Unterhaltung. Nur Probleme zu benennen, wäre eine Predigt. An erster Stelle steht, dass die Besucher sich amüsieren sollen und auch zum Nachdenken angeregt werden. Die Möglichkeit, die Welt zu verbessern, ist für das Kabarett eher gering. Es ist auch eine Art Eigentherapie, damit man sich nicht zu oft aufregen muss.

Am Sonntag werden Sie in Oberhaching gastieren. Wie ist es, als Baden-Württemberger in Bayern aufzutreten?

Als ich die ersten Male nach Bayern kam, hatte ich schon Bedenken. Schließlich gibt es hier sehr viele bekannte Kollegen, das Kabarett ist tief verwurzelt. Man könnte meinen, die Bayern brauchen nicht unbedingt Kabarettisten von auswärts. Aber ich muss sagen: Das Publikum hier ist sehr offen und geht gut mit.

© SZ vom 15.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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