Oberhaching:Große Verunsicherung

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Oberhachinger Flüchtlingsunterkunft stößt auf Vorbehalte. Bürger übergeben Unterschriften. Schelle spricht von Notlage

Von Michael Morosow, Oberhaching

Die Gemeinde Oberhaching und der Landkreis München setzen alle Hebel in Bewegung, um den zu erwartenden Flüchtlingsstrom auffangen zu können. Und offenbar glauben Bürgermeister Stefan Schelle und Landrat Christoph Göbel (beide CSU), eine Möglichkeit gefunden zu haben, das Problem mit einem Schlag zu lösen. In der Sitzung am 23. Juni wird der Gemeinderat darüber beraten, ob er für eine Traglufthalle ein Grundstück zur Verfügung stellen kann und will. "Der Vorteil dabei ist, dass dazu kein Baurecht notwendig ist", sagte Schelle zur SZ. Landrat Göbel hat kürzlich verkündet, dass der Landkreis darauf setzt, in mehreren Kommunen Traglufthallen zu errichten. Im Juli soll die erste im Landkreis stehen.

Wie groß das Interesse in der Bevölkerung am Thema Flüchtlingsunterkunft ist, das konnten Schelle und Göbel am Mittwochabend bei einer Informationsveranstaltung im Altenheim St. Rita sehen. Die Veranstaltung war eigentlich ausschließlich für die Bewohner der Einrichtung gedacht. Für sie hatte Heimleiterin Marion Hahn 100 Stühle aufstellen lassen. Zu wenige, wie sich schon lange vor Beginn der Veranstaltung zeigte. Der Saal war mit zirka 200 Besuchern proppenvoll. Die Altenheimbewohner waren allerdings klar in der Unterzahl.

Obschon nicht eingeladen, nutzten Oberhachinger Bürger die Möglichkeit, Informationen zum geplanten Bau eines Asylbewerberheims für 50 Flüchtlinge aus erster Hand zu bekommen, aber auch, um ihren Missfallen gegen das Vorhaben zu äußern. Darunter zeigten sich mehrere Oberhachinger, die sich in einer Bürgerinitiative formiert haben und 72 Unterschriften gegen die geplante Unterkunft gesammelt hatten. "Das war nicht unsere Absicht", sagte Marion Hahn, die den Grund für die große Resonanz aus der Bevölkerung kennt: "Wir haben unsere direkten Nachbarn schriftlich dazu eingeladen. Irgendjemand hat das Papier vervielfältigt und in alle Briefkästen geworfen", weiß die Heimleiterin. Die Veranstaltung sei dennoch nicht ausgeufert, sondern weitgehend diszipliniert über die Bühne gegangen, berichtet Marion Hahn. Und tags darauf habe sie von einigen Bewohnern der Alteneinrichtung eine positive Resonanz bekommen. Offenbar haben sich die älteren Menschen damit arrangiert, dass sie in Bälde 50 Flüchtlinge als Nachbarn haben werden.

Er verstehe die Sorgen und Verunsicherung der Menschen im Ort, sagte Bürgermeister Schelle, aber was für ihn aber nicht nachvollziehbar sei, seien die geäußerten Bedenken, dass die Immobilien in der Nähe von Asylbewerberunterkünften an Wert verlören. Er und der Landrat versicherten den Besuchern der Informationsveranstaltung, dass die geplante Flüchtlingsunterkunft auf der Wiese am Dölling nur für 50 Menschen konzipiert sei. Die Bereitstellung von Flüchtlingsunterkünften sei notwendig, "und notwendig kommt von Not abwendend", sagte Schelle im Hinblick auf die Asylbewerber, die teilweise in ihren Heimatländern um ihr Leben bangen müssen.

Dass die geplante Unterkunft auf der Wiese am Dölling mit einer Aufnahmekapazität von 50 Menschen bei weitem nicht ausreichen wird, das steht dabei schon fest. Die Gemeinde muss sich laut Schelle auf 140 bis 160 Flüchtlinge einstellen.

Inzwischen haben die Fraktionen in Oberhaching aber auch einen Plan B in petto: Auf Initiative der SPD-Fraktionsvorsitzenden Margit Markl ist ein interfraktioneller Antrag auf den Weg gebracht worden, der auf eine relativ unbürokratische Lösung des Problems abzielt: "Die Gemeinde soll überlegen, welche eigenen Grundstücke sie hat, die nicht baureif sind und in nächster Zukunft auch nicht bebaut werden sollen. Der Landkreis soll dann prüfen, ob er für eines dieser Grundstücke auf schnellstem Wege Baurecht herstellen kann", erklärt Markl ihre Idee. Den interfraktionellen Antrag haben alle unterschrieben, bis auf die CSU-Fraktion. Deren Vorsitzender Josef Ertl erklärt die Verweigerung eben mit der "großen Lösung", die sich abzeichne.

Bürgermeister Stefan Schelle hält allerdings die Zuversicht der Antragsteller, der Landkreis könnte auf verkürztem Wege Baurecht für ein Oberhachinger Grundstück verschaffen, eher für blauäugig. "Verwaltungsvorgänge dauern ihre Zeit", sagt er. Am Dienstag berieten die Vorsitzenden aller Fraktionen darüber. Über Details ist Stillschweigen vereinbart worden. Ertl verrät wenigstens so viel, dass es sich um Räumlichkeiten zur dauerhaften Unterbringung handelt und alles sehr schnell gehen könnte, wenn der Gemeinderat mitziehe, wovon er ausgehe.

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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