Oberhaching:Gerüchteküche

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Bürgermeister kritisiert Kommentare zum Polizeieinsatz

Von Bernhard Lohr, Oberhaching

Die Polizei hatte die Lage rund um die Oberhachinger Traglufthalle längst im Griff, als im Internet das richtig losging, was den Oberhachinger Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) am nächsten Tag noch mächtig beschäftigen sollte. Einzelne Flüchtlinge waren am Donnerstagabend gegen 19 Uhr mit einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in der Unterkunft in Streit geraten. Ein 28-Jähriger ging auf den Wachmann los und verletzte ihn mit einem Stuhlbein leicht. Die Polizei wurde alarmiert, rückte mit einem Großaufgebot an und trennte die Streithähne. Zu der Zeit nahm die Geschichte von angeblich randalierenden Flüchtlingen in Oberhaching auf Facebook ihren Lauf.

In der 13 000-Einwohner-Gemeinde war nicht verborgen geblieben, dass am Bajuwarenring zahlreiche Polizeifahrzeuge angerückt waren. Und weil Nachrichten nicht mehr von Mund zu Mund gehen sondern in Windeseile über die elektronischen Medien verbreitet werden, wussten in Oberhaching bald sehr viele Menschen von dem Vorgang. Doch nicht nur das: Auf der von einem "Bürgerforum" betriebenen Facebook-Seite posteten viele, was sie meinten, dass dort am Bajuwarenring vor sich gehe. Fakten und Halbwahrheiten vermischten sich. Gerüchte schossen ins Kraut - und Kommentare wurden gepostet, die nach Meinung von Bürgermeister Stefan Schelle weit, sehr weit über das Ziel hinaus schossen.

Am nächsten Tag waren die umstrittenen Äußerungen von der Seite genommen. An deren Stelle fand sich eine Stellungnahme des Bürgermeisters, in der er die "teilweise unverantwortlichen und polemischen Beiträge in den Foren" rügte. Ja, es habe in der Nacht Streitereien unter den Asylbewerbern gegeben, stellte Schelle klar, und eine Handgreiflichkeit mit einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes. Doch in den sozialen Medien sei viel mehr daraus gemacht worden: "Freiheit, auch in der Meinungsäußerung setzt auch Verantwortung voraus. Vor allem Verantwortung für die Wahrheit", schrieb Schelle. Dies wurde am Freitag flankiert von der offiziellen Pressemitteilung des Polizeipräsidiums München, in der Schritt für Schritt dargelegt wurde, was tags zuvor in Oberhaching wirklich passiert war. Bernhard Wolf, ein Facebook-User, kommentierte: "Ich sag' ja, unsere Polizei macht das schon."

Tatsächlich war die Polizei massiv aufgetreten, was Oberhachings Bürgermeister Schelle am Freitag rückblickend begrüßte. Es sei wichtig zu zeigen, dass es in Bayern keinen rechtsfreien Raum gebe. 98 oder 99 Prozent der Flüchtlinge in der Traglufthalle hätten die Polizeipräsenz übrigens auch als Segen wahrgenommen, berichtete der Rathauschef. Aber klar sei auch, dass unter den Flüchtlingen "nicht nur Heilige" seien, sagte Schelle, und gab zu bedenken, dass auch auf Seiten der Sicherheitsleute nicht immer geschickt agiert werde.

Eine Auseinandersetzung, wie es sie in Oberhaching gab, darf aus Schelles Sicht niemanden groß überraschen und kann seiner Meinung nach durchaus wieder passieren. Deshalb forderte er auch, die internen Kommunikationswege zu verbessern, um nicht wieder ein Informations-Vakuum entstehen zu lassen wie am Donnerstagabend. Der Bürgermeister selbst erfuhr erst am Freitag in der Früh von den Geschehnissen. Und da hieß es von der Polizei: Es sei nichts Großes geschehen.

So war es ja am Ende auch; wenngleich am Donnerstag laut Pressebericht wiederholt die Stimmung in der Unterkunft zu kippen drohte. Der 28-Jährige, der mit einem Stuhlbein auf den Wachmann losgegangen war, wurde gebändigt und wegen Körperverletzung angezeigt. Daraufhin solidarisierten sich Flüchtlinge mit dem 28-Jährigen gegen den Sicherheitsdienst. Die Polizei konnte die Lage beruhigen. Zwei weitere Flüchtlinge wurden wegen einer wechselseitigen Körperverletzung angezeigt. Der Sicherheitsdienst benannte vier Personen, die maßgeblich für die schlechte Stimmung verantwortlich waren. Diese wurden in andere Einrichtungen gebracht.

Als die Lage beruhigt zu sein schien, mehrere Streifenwagenbesatzungen zur Sicherheit aber noch an der Traglufthalle waren, deutete sich erneut ein Stimmungswandel unter den Flüchtlingen an. Wieder wurde ein Verantwortlicher ausgemacht und in eine andere Einrichtung im Landkreis München gebracht. Danach blieb es der Polizei zufolge ruhig. Der Einsatz war gegen 21.50 Uhr beendet. Geprüft wird, ob weitere rechtliche Schritte gegen die Rädelsführer der Vorfälle ergriffen werden.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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