Oberhaching:"Die Akustik in der Tiefgarage ist der Wahnsinn"

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Der evangelische Pfarrer Karsten Schaller feiert in Oberhaching regelmäßig Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten

Interview von Christina Hertel, Oberhaching

In Osnabrück gibt es Gothic-, Heavy-Metal-, Rock- und Märchen-Gottesdienste. Ganz so weit geht die evangelische Kirche in Oberhaching nicht. Aber auch sie wagt ein Experiment: Am Sonntag, 15. November, findet von 18.30 Uhr an ein Gottesdienst in der Tiefgarage des Oberhachinger Gymnasiums statt. Braucht es so etwas wirklich? Pfarrer Karsten Schaller erklärt, was bei so einem alternativen Gottesdienst passiert und warum es für eine Kirche sinnvoll sein kann, ihre eigenen Räume zu verlassen.

SZ: Wie sind Sie auf die Idee gekommen ausgerechnet in einer Tiefgarage einen Gottesdienst abzuhalten?

Karsten Schaller: Wir haben schon einige solche alternativen Gottesdienste an skurrilen Orten gefeiert. Zum Beispiel am alten Bahnhof in Deisenhofen. Die Gottesdienste haben immer ein bestimmtes Thema, diesmal ist es Tiefe. Da bietet sich eine Tiefgarage an.

Wie unterscheidet sich dieser Gottesdienst von einem in einer Kirche?

Der ganze Ablauf ist anders. Es wird keine richtige Predigt geben, sondern eher meditative Gedanken zum Thema. Und bevor es losgeht, werden die Teilnehmer blind in die Tiefe geführt. Es geht darum, dass sich die Menschen selbst erfahren. Wir werden zusammen schweigen und singen. Es wird sehr spirituell sein - bis hin zum Obertonsingen. Die Akustik in der Tiefgarage ist der Wahnsinn.

Heißt das, Gott steht dabei nicht so sehr im Zentrum?

Das würde ich so nicht sagen. Ich glaube, es gibt verschiedene Wege, Gott zu erfahren. Traditionellerweise ist ja für uns Protestanten das Wort sehr wichtig. Mir persönlich bedeutet aber auch das Spirituelle viel. Gerade, wenn man gemeinsam schweigt, kann das eine unglaubliche Dynamik auslösen.

Warum ist es wichtig, dass eine Kirche solche alternativen Gottesdienstformen anbietet?

Ich finde, die Menschen sollen Gott auch dort erfahren können, wo das Leben stattfindet. Das Sinnliche dabei ist wichtig, weil der Mensch eben nicht nur aus einem Kopf besteht. Und natürlich hoffen wir auch, durch so etwas Jugendliche und junge Erwachsene für die Kirche zu begeistern. Meine Konfirmanden sagen mir immer wieder, dass ihnen solche Gottesdienste taugen.

Man könnte Ihnen vorwerfen, dass Sie versuchen, sich bei den Menschen anzubiedern.

Das finde ich überhaupt nicht. Auch unsere normalen Gottesdienste sind gut besucht. Für mich sind solche Formen eher eine Rückkehr zu den christlichen Wurzeln. Schon Martin Luther sagte, dass man einen Gottesdienst auch im Saustall halten kann. Die ersten Christen feierten in Katakomben und heimlich Zuhause. Natürlich braucht man trotzdem heilige Räume, aber Gott lässt sich auch an absurden Orten erfahren und das möchte ich mit solchen Experimenten zeigen.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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